Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
Witwe, meine Kinder sind verheiratet und führen ihr eigenes Leben. Was soll ich den ganzen Tag mit mir anfangen?«
Offenbar eine rhetorische Frage.
»Die Aufgabe füllt Sie sicher aus«, meinte Fran. Bemüht beiläufig legte sie die Lokalzeitung auf den Tresen, und zwar so, daß Susan Branagan Mollys Foto und die Schlagzeile auch sicher sah: DR. LASCHS WITWE BETEUERT IHRE UNSCHULD.
Mrs. Branagan schüttelte den Kopf. »Da Sie aus Kalifornien sind, wissen Sie es vermutlich nicht. Dr. Lasch war früher Leiter dieser Klinik. Sein Tod hat zu einem schrecklichen Skandal geführt. Er war erst sechsunddreißig und so ein gutaussehender Mann.«
»Was ist denn geschehen?« fragte Fran.
»Ach, er hat sich mit einer jungen Krankenschwester eingelassen, und seine Frau … vermutlich hat die Arme einfach die Beherrschung verloren. Sie behauptet, sie könne sich nicht erinnern, ihn getötet zu haben, aber das glaubt ihr natürlich niemand. Es war eine furchtbare Tragödie und ein großer Verlust. Das Traurige daran ist, daß Schwester Annamarie so ein nettes Mädchen war. Niemand hätte ihr eine Affäre mit einem verheirateten Mann zugetraut.«
»So was passiert öfter«, konstatierte Fran.
»Da haben Sie leider recht. Dennoch kam es ziemlich überraschend, denn es gab hier einen jungen Arzt, übrigens ein sehr sympathischer Mann, der sie wirklich gern hatte. Wir alle glaubten, daß die beiden ein Paar werden würden, aber wahrscheinlich hat Dr. Lasch ihr den Kopf verdreht. Und der arme Dr. Morrow hatte das Nachsehen. Möge er in Frieden ruhen.«
Dr. Morrow. In Frieden ruhen.
»Sie meinen doch nicht etwa Dr. Jack Morrow?«
»Ach, kannten Sie ihn?«
»Ich bin ihm vor vielen Jahren begegnet, als ich eine Weile in der Stadt war.« Fran dachte an das freundliche Gesicht des jungen Arztes, der sie an jenem entsetzlichen Abend vor vierzehn Jahren hatte trösten wollen, als sie und ihre Mutter ihren sterbenden Vater ins Krankenhaus begleitet hatten.
»Nur zwei Wochen vor dem Mord an Dr. Lasch wurde er in seiner Praxis erschossen. Sein Medizinschrank war aufgebrochen worden.« Seufzend erinnerte Susan Branagan sich an das Ereignis. »Zwei junge Ärzte, und beide sterben sie eines gewaltsamen Todes. Ich weiß, daß die
Morde nichts miteinander zu tun haben, aber es war dennoch ein tragischer Zufall.«
Zufall? schoß es Fran durch den Kopf. Und beide Männer hatten Kontakt zu Annamarie Scalli. Gab es überhaupt Zufälle, wenn es um Mord ging?
24
D rei Nächte zu Hause, dachte Molly. Dreimal morgens im eigenen Bett und in meinem eigenen Zimmer aufgewacht.
Heute war sie kurz vor sieben aufgestanden, hatte sich Kaffee gekocht, ihn in ihre Lieblingstasse gegossen, und war mit dem aromatisch duftenden Getränk ins Schlafzimmer zurückgekehrt. Nachdem sie die Kissen aufgeschüttelt hatte, schlüpfte sie wieder ins Bett und trank langsam ihren Kaffee. Als sie sich im Schlafzimmer umsah, wurde ihr klar, daß sie diesen Raum in den fünf Jahren ihrer Ehe kaum bewußt wahrgenommen hatte.
In den ruhelosen Nächten im Gefängnis hatte sie sich ihr Schlafzimmer vorgestellt: Ihre Füße berührten den dicken, elfenbeinfarbenen Teppich; die Satindecke glitt über ihre Haut; ihr Kopf sank in die weichen Kissen; die Fensterläden waren geöffnet, damit sie den nächtlichen Himmel betrachten konnte, was sie oft tat, wenn ihr Mann schlafend neben ihr lag.
Molly nippte an ihrem Kaffee und erinnerte sich an die unendlich langen Nächte im Gefängnis. Als sie allmählich wieder in der Lage gewesen war, klar zu denken, kamen auch die Fragen, die sie inzwischen unablässig beschäftigten: Wenn Gary es wirklich geschafft hatte, ihr jahrelang eine glückliche Ehe vorzuspielen, in welcher Hinsicht hatte er sie sonst noch getäuscht?
Auf dem Weg ins Bad blieb sie stehen, um aus dem Fenster zu sehen. Eigentlich eine Alltäglichkeit, die ihr jedoch fünfeinhalb Jahre lang verwehrt war und die sie noch immer als Befreiung empfand. Es war wieder bewölkt, und sie konnte auf der Einfahrt Eispfützen erkennen. Dennoch beschloß sie spontan, ihren Trainingsanzug anzuziehen und zum Joggen zu gehen.
Mich frei bewegen, dachte sie, während sie rasch in ihre Trainingshose schlüpfte. Ich darf das Haus verlassen, wann immer ich will, ohne erst warten zu müssen, bis aufgeschlossen wird. Ein Hochgefühl ergriff sie. Zehn Minuten später joggte sie durch die vertrauten Straßen, die ihr mit einem Mal fremd erschienen.
Hoffentlich begegne ich niemandem, den
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