Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
hieß es, das Opfer sei eine gewisse Annamarie Sangelo, die bei einem ambulanten Pflegedienst in Yonkers gearbeitet habe. Sie sind noch nicht dahintergekommen, wer sie ist, sagte sich Molly. Aber es kann nicht mehr lange dauern.
Sie zwang sich, bis acht zu warten, ehe sie Fran anrief. »Molly, willst du allen Ernstes behaupten, du hättest dich gestern abend mit Annamarie Scalli getroffen, und jetzt hat sie jemand ermordet?« fragte Fran so entsetzt und ungläubig, daß Molly innerlich zusammenzuckte.
»Ja.«
»Weiß es Philip Matthews schon?«
»Noch nicht. Mein Gott, er hat mir abgeraten, sie zu sehen.«
Fran dachte an die Prozeßmitschrift, die sie gelesen hatte, vor allem an Calvin Whitehalls vernichtende Aussage. »Molly, ich werde Matthews sofort anrufen.« Sie hielt inne und sprach dann in drängendem Ton weiter. »Hör zu. Geh nicht ans Telefon. Mach die Tür nicht auf. Rede mit niemandem, nicht einmal mit Jenna, bis Philip Matthews bei dir ist. Schwöre.«
»Fran, glaubst du, ich hätte Annamarie umgebracht?«
»Nein, Molly, aber andere könnten dich verdächtigen. Jetzt rühr dich nicht von der Stelle. Ich komme, so schnell ich kann.«
Eine Stunde später bog Fran in Mollys Auffahrt ein. Molly, die schon nach ihr Ausschau gehalten hatte, öffnete die Tür, bevor sie anklopfen konnte.
Sie sieht aus, als stünde sie unter Schock, dachte Fran. Mein Gott, kann es sein, daß sie zwei Morde begangen hat? Molly war aschfahl, der weiße Chenillemorgenmantel schlotterte um ihre schlanke Gestalt.
»Fran, ich stehe das nicht noch einmal durch«, flüsterte sie. »Lieber bringe ich mich um.«
»Daran darfst du nicht einmal denken«, erwiderte Fran und nahm Mollys zitternde, kalte Hände. »Ich habe Philip Matthews in seiner Kanzlei erreicht. Er ist unterwegs hierher. Molly, geh nach oben, dusche heiß und zieh dich an. Ich habe im Autoradio gehört, daß Annamarie identifiziert worden ist. Bestimmt wird die Polizei dich befragen wollen. Und ich möchte nicht, daß sie dich so sieht.«
Molly nickte, drehte sich um und stieg wie ein gehorsames Kind die Treppe hinauf.
Nachdem Fran den Mantel ausgezogen hatte, spähte sie vorsichtig aus dem Fenster. Sie wußte, daß eine Reportermeute das Haus stürmen würde, sobald sich herumsprach, daß Molly mit Annamarie Scalli verabredet gewesen war.
Da kommt schon der erste, dachte sie, als ein kleines, rotes Auto um die Ecke bog. Doch zu ihrer Erleichterung erkannte sie Edna Barry hinter dem Steuer. Sie eilte ihr durch die Küche entgegen und stellte fest, daß Molly noch keinen Kaffee gemacht hatte. Ohne auf Mrs. Barrys feindselige Miene zu achten, sagte sie: »Mrs. Barry, könnten Sie bitte Kaffee kochen und für Molly Frühstück machen?«
»Ist etwas nicht in Ordnung …?«
Das Läuten der Türglocke unterbrach sie.
»Ich gehe schon«, meinte Fran. Bitte, lieber Gott, laß es Philip Matthews sein, schickte sie ein Stoßgebet zum Himmel.
Er war es. Doch seine besorgte Miene bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen.
Philip nahm kein Blatt vor dem Mund: »Miss Simmons, danke, daß Sie mich verständigt und Molly davon abgehalten haben, mit jemandem zu reden. Dennoch, diese Situation ist sicher auch Stoff für Ihre Sendung. Deshalb werde ich Ihnen nicht erlauben, Molly auszufragen, geschweige denn bei unseren Gesprächen dabei zu sein.«
Jetzt sieht er aus wie letzte Woche, als er Molly vor dem Gefängnis gegen die Reporter abschirmen wollte, dachte Fran. Auch wenn er glaubt, daß sie Gary Lasch ermordet hat, ist er trotzdem ein guter Anwalt, und den braucht Molly jetzt. Wenn nötig, würde er für sie einen Drachen töten.
Eine tröstliche Vorstellung. Doch schon im nächsten Moment hielt Fran sich vor Augen, daß jetzt nicht der richtige Moment für Sentimentalität war. »Mr. Matthews«, sagte sie. »Ich bin mit dem Gesetz ausreichend vertraut, um zu wissen, daß Ihre Gespräche mit Molly im Gegensatz zu meinen unter das Anwaltsgeheimnis fallen. Vermutlich glauben Sie immer noch, daß Molly die Mörderin von Dr. Lasch ist. Ich dachte das anfangs auch, aber inzwischen zweifle ich ernsthaft daran. Und ich habe einige Fragen, auf die ich gerne eine Antwort hätte.«
Philip Matthews Blick blieb kühl.
»Wahrscheinlich halten Sie das nur für einen Journalisten-Trick«, zischte Fran. »Aber da liegen Sie falsch. Da ich Molly sehr gern habe und ihr helfen möchte, will ich die Wahrheit erfahren, so schmerzlich sie auch sein mag. Von Ihnen würde ich
Weitere Kostenlose Bücher