Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
an, Mrs. Colbert.«
Obwohl sie fünfzig und achtundvierzig Jahre alt sind, bezeichnet er sie immer noch als Jungen, dachte Barbara. Es tröstete sie, daß Dan offenbar ihre Trauer teilte. »Einer von ihnen soll meine Reisetasche aus meiner Wohnung mitbringen. Bitten Sie Netty, mir ein paar Sachen zusammenzupacken.«
Barbara zwang sich, in die kleine Cafeteria zu gehen. Sie spürte die durchwachte Nacht zwar noch nicht, ihr war aber klar, daß die Müdigkeit nicht lange auf sich warten lassen würde.
Offenbar wußte die Kellnerin, wie es um Tasha stand. »Wir beten alle für sie«, sagte sie und »Es war eine traurige Woche. Erst am Sonntag morgen ist Mr. Magim gestorben.«
»Ach, das tut mir leid.«
»Auch wenn man damit rechnen mußte, haben wir alle gehofft, daß er seinen achtzigsten Geburtstag noch erlebt. Das einzig Gute war, daß er vor seinem Tod noch einmal die Augen aufgeschlagen hat. Mrs. Magim schwört, er hätte sie angesehen.«
Wenn Natasha sich nur von mir verabschieden könnte, dachte Barbara. Wir waren zwar eine glückliche Familie, neigten aber nicht zu großen Gefühlsbekundungen. Heute bedauere ich das. So viele Eltern beteuern ihren Kindern ständig, wie sehr sie sie lieben, doch ich fand das immer übertrieben und albern. Inzwischen wünschte ich, ich hätte es Tasha öfter gesagt.
Als Barbara ins Krankenzimmer zurückkehrte, war Tashas Zustand unverändert. Dr. Black stand am Fenster, wandte ihr den Rücken zu und telefonierte. Bevor Barbara sich bemerkbar machen konnte, hörte sie ihn sagen:
»Ich billige es zwar nicht, aber wenn Sie darauf bestehen, bleibt mir wohl nichts anderes übrig.« Sein Tonfall war ärgerlich – oder war es Angst?
Ich frage mich, von wem er Befehle bekommt? überlegte sie.
51
A m Mittwoch vormittag war Fran in Greenwich mit Dr. Roy Kirkwood, dem Hausarzt von Josephine Gallo, verabredet. Zu ihrem Erstaunen war das Wartezimmer leer, was bei Ärzten heutzutage selten vorkam.
Die Sprechstundenhilfe öffnete das Schiebefenster, das ihren Schreibtisch vom Wartezimmer trennte. »Miss Simmons«, sagte sie, ohne Fran nach ihrem Namen zu fragen. »Der Herr Doktor erwartet Sie.«
Roy Kirkwood war schätzungsweise Anfang Sechzig. Mit seinem schütteren, grauen Haar, den grauen Brauen, der Brille mit Metallgestell, der zerfurchten Stirn und den freundlich dreinblickenden klugen Augen wirkte er auf Fran wie ein Arzt aus dem Bilderbuch. Wenn ich krank wäre, hätte ich Vertrauen zu ihm, dachte sie.
Doch als sie auf dem höflich angebotenen Stuhl vor dem Schreibtisch Platz nahm, fiel ihr wieder ein, daß sie hier war, weil vor kurzem eine seiner Patientinnen gestorben war.
»Es ist nett von Ihnen, daß Sie Zeit für mich hatten, Herr Doktor«, begann sie.
»Es ist keine Frage der Nettigkeit, sondern der Notwendigkeit, daß ich mit Ihnen spreche, Miss Simmons«, entgegnete er. »Wie Sie sicher bemerkt haben, ist mein Wartezimmer leer. Es kommen nur noch langjährige Patienten, die ich noch so lange behandeln werde, bis ich sie an andere
Kollegen überweisen kann. Ansonsten bin ich inzwischen im Ruhestand.«
»Hat das etwas mit Billy Gallos Mutter zu tun?«
»Ja selbstverständlich, Miss Simmons. Natürlich hätte Mrs. Gallo auch unter anderen Umständen einen tödlichen Herzinfarkt erleiden können. Doch mit einem vierfachen Bypass hätte sie gute Überlebenschancen gehabt. Ihr Kardiogramm bewegte sich im Rahmen des Normalen, doch es gibt noch weitere Hinweise darauf, daß ein Patient in Lebensgefahr schwebt. Ich vermutete verstopfte Arterien und wollte das gründlich untersuchen lassen. Aber mein Antrag wurde abgelehnt.«
»Von wem?«
»Von der Verwaltung des Remington-Gesundheitsdienstes.«
»Haben Sie widersprochen?«
»Miss Simmons, ich habe so lange widersprochen, bis es zu spät war. Genauso bin ich auch in anderen Fällen vorgegangen, in denen meine Überweisung an einen Spezialisten nicht genehmigt wurde.«
»Dann hat Billy Gallo also recht. Seine Mutter hätte noch nicht sterben müssen. Wollen Sie das damit sagen?«
Roy Kirkwood wirkte traurig und bedrückt. »Miss Simmons, nachdem Mrs. Gallo einen Verschluß der Koronararterie erlitten hatte, verlangte ich von Peter Black, die nötige Bypassoperation endlich zu gestatten.«
»Und was meinte Dr. Black dazu?«
»Er druckste zuerst herum, erklärte sich aber schließlich einverstanden. Doch dann starb Mrs. Gallo. Wenn die Operation früher durchgeführt worden wäre, hätten wir sie retten können.
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