Wenn Zaertlichkeit dein Herz beruehrt
schnell wie andere ist. Und wenn ein Erwachsener ihnen ihre Unfähigkeit auch noch unter die Nase reibt, dann ziehen sie sich völlig in sich selbst zurück.«
Chris legte eine Hand unter ihr Kinn, hauchte einen Kuss auf ihre Lippen und bannte damit ihre traurigen Erinnerungen. Das kann er gut, dachte sie, als sie auf die Veranda trat.
Lucky war gerade dabei, es sich in einem Schaukelstuhl bequem zu machen, und betrachtete die Cowboys mit unverhohlener Bewunderung. Unwillkürlich lächelte Victoria und fragte sich flüchtig, ob sie mit diesem verwaisten Jungen wohl eine zweite Chance erhalten hatte. Dann ließ sie Chris stehen und suchte sich einen Platz.
Doch Chris setzte sich neben sie, und Joaquin nahm seine Gitarre, spielte ein paar Töne. Abigale und Randel brachten den Kaffee, und der Butler reichte Victoria eine Tasse.
»Mit Milch und ohne Zucker, Miss«, sagte er.
»Danke, dass Sie sich daran erinnert haben, Randel.«
Joaquin versuchte, ein Lied zu spielen - was ihm ziemlich schwer fiel, da ihm an einer Hand zwei Finger fehlten. Und obwohl Victoria das Lied nicht kannte, konnte sie doch erkennen, wie die Melodie aufgebaut war und worum Joaquin sich bemühte.
»Gehen Sie am Griffbrett etwas tiefer, spielen Sie zwei Takte und greifen Sie dann um«, sagte sie.
Alle blickten zu ihr hin.
»Können Sie Gitarre spielen, Senorita?«
Na wunderbar. Noch ein Bekenntnis. »Ein bisschen«, erwiderte sie.
Er hielt ihr das Instrument hin.
Victoria schüttelte den Kopf.
»Komm schon, Tori, lass uns mal etwas anderes hören als Joaquins Künste!«
»Ich fürchte, die Männer sind mein stümperhaftes Talent leid!«
Victoria sah Chris an, und er wusste, warum sie zögerte. Sie kannte keine der gängigen Melodien, und plötzlich konnte er nachempfinden, wie unbehaglich sie sich fühlen musste. Als sie ihm ihre Tasse reichte und die Gitarre nahm, spürte er, wie sie nach einer Lösung suchte.
»Kennen Sie >Clementine«, fragte Peabody.
»Nein, tut mir Leid.« Sie schlug die Saiten an und stimmte das Instrument
»Du hast auf einer Farm gelebt, kannst Gitarre spielen - was werde ich noch alles über dich herausfinden?«
Sie sah zu ihm hin. Vielleicht, wie sehr ich dich liebe, dachte sie, aber laut sagte sie: »Dass ich die Melodien sogar halten kann.«
Plötzlich wurde ihr bewusst, wie gespannt die Männer darauf warteten, dass sie zu spielen begann. Alle Blicke waren auf sie gerichtet. Jede Frau hätte sich über so viel Aufmerksamkeit gefreut - sie jedoch nicht.
Es war schon sehr lange her, dass sie das letzte Mal vor anderen gesungen hatte. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, nicht viel über ihre Person preiszugeben, sich zurückzuhalten, unauffällig zu wirken.
Und nun sahen alle sie erwartungsvoll an. Was um Himmels willen sollte sie nur spielen? Es musste etwas Langsames, Gefühlvolles sein, etwas, was zu diesen Cowboys passte, zu Männern, die alle ein Handicap hatten und die niemand außer Chris mehr einstellen wollte.
Ihre Finger glitten über die Saiten, und die Männer lehnten sich zurück. Chris hatte die Füße auf ein niedriges Tischchen gelegt, betrachtete Victoria gespannt.
Schließlich entschied sie sich, eine zwanzig Jahre alte Ballade von James Taylor zu singen. Sie handelte von einem einsamen Cowboy, dessen einzige Gesellschaft die Tiere sind.
Ihre tiefe, warme Stimme schlug alle in den Bann, und Chris spürte, wie sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. Victoria bemerkte nicht, dass Abigale und Randel aus dem Haus traten, um ihr zuzuhören, und auch zwei der Arbeiter, die noch mit den Tieren beschäftigt kamen, ritten herbei und hielten vor der Veranda an.
» Und wenn der Mond am Himmel aufsteigt, dann sitzt er am Feuer, träumt von den Frauen und einem Glas Bier...«
Die Männer lächelten, und selbst Garrett wippte im Rhythmus mit. Und Chris erkannte plötzlich, wie sehr Victoria, für eine Weile von ihren Sorgen befreit, aufgeblüht war. Innerhalb kurzer Zeit hatte sich eine erstaunliche Wandlung mit ihr vollzogen. Es lag nicht an ihrem schönen Kleid oder der raffinierten Frisur, sondern daran, dass sie nicht länger ihre Gefühle unterdrückte, dass sie sich wieder ins Leben stürzte, statt immer nur von außen zuzusehen, während sie Verbrechern hinterherjagte. Chris war auch vorher schon entschlossen gewesen, alles zu versuchen, um diese Frau zu behalten, aber dass Abigale, Randel, Lucky und seine Männer sie so vorbehaltlos akzeptierten, festigte ihre
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