Wenn Zaertlichkeit dein Herz beruehrt
für eine Hure?« Becket schnaubte, aber in seinen Augen lag ein finsterer Glanz.
»Wenn sie Ihnen nicht mehr bedeutet hat...«
Becket wurde ein wenig blasser, aber sein Gesicht blieb weiterhin ausdruckslos. »Ich habe sie zu schätzen gewusst, aber sie war nur eine Angestellte.«
»Sie haben Sie geschätzt, weil sie am meisten hier verdient hat, nicht wahr?« Becket nickte zustimmend. »Aber wenn sie Ihnen so viel wert war - warum haben Sie ihr dann keine Begleitung angeboten?«
»Weil sie es nicht wollte.«
»Sie schützen doch sonst immer Ihre Interessen.« Chris Blick glitt zu den Mädchen. »Aber ihr haben Sie keinen Schutz gegeben.« Eine Unterlassung, das war deutlich zwischen Chris' Worten herauszuhören. »Ein perfekter Gentleman hätte darauf bestanden.« Chris bemerkte, wie Beckets Züge schärfer wurden, etwas Raubtierhaftes bekamen. So wie Victoria, wenn sie sich auf Jagd befand. Er hatte also einen wunden Punkt getroffen. Das war schließlich auch seine Absicht.
»Haben Sie jemals versucht, etwas gegen Vels Willen durchzusetzen?«, fragte Becket.
Eine geschickte Antwort.
»Und außerdem trug Vel eine Waffe«, fügte Becket hinzu.
Chris verschränkte die Arme vor der Brust. Er gab seiner Stimme einen nachdenklichen Ton, fast so, als würde er um Rat bitten. »Dann glauben Sie vielleicht, dass sie ihren Mörder verwundet hat?«
Becket zuckte mit den Schultern, zog dann seinen Ärmel zurecht. »Das kann ich nicht beantworten, schließlich war ich nicht dabei.«
Chris bemerkte die Kratzer auf Beckets Handgelenk, inzwischen verheilt und nur noch als schmale Streifen zu erkennen. »Ich aber.«
Becket hielt Chris' Blick stand, in seinen Augen war nicht zu lesen, was er dachte.
»Ich war es, der sie gefunden hat.«
Beckets Hand schloss sich ein wenig fester um den Knauf seines Gehstocks. »Tatsächlich?« Lediglich mildes Interesse schwang in seiner Stimme mit, er war damit beschäftigt, sich in seinem Lokal umzuschauen.
J etzt erkannte auch Chris, was Victoria ihm so lange versucht hatte begreiflich zu machen - vergeblich, weil er zu stur und überheblich gewesen war. Becket war ein durch und durch böser Mensch. Unter der gefälligen, perfekt erscheinenden Oberfläche verbarg sich berechnender Wahnsinn, der eng an absolute Gefühllosigkeit grenzte. Leg dich doch mal mit mir an, dachte Chris boshaft, statt dir eine unschuldige Mutter als Opfer auszusuchen. Keine Frau, die einfach nur versucht, ihr Kind so gut wie möglich aufzuziehen. Such dir endlich jemanden aus, der sich wehren kann.
»Man muss schon ganz schön verdreht sein, um sich eine wehrlose Frau als Opfer auszusuchen, finden Sie nicht auch?«
Becket sah ihn flüchtig an, schenkte ihm ein nichtssagendes Lächeln. »Es sei denn, sie hätte es verdient.«
»Als Strafe?«
Becket zog eine Augenbraue hoch und betrachtete Chris ein wenig von oben herab.
»Hm«, meinte Chris nur. Er dachte an all das, was Victoria ihm erzählt hatte, und konnte es sich nicht versagen, einen letzten Giftpfeil abzuschießen. »Aber wer wird dabei eigentlich bestraft - das Opfer oder der Mörder?«
Vielleicht war es die Art, wie er den Blick schweifen ließ, ein wenig zu gleichgültig, oder seine Finger, die sich noch fester um den Stock schlössen. Chris wusste es nicht. Aber er fühlte das Böse und die unterdrückte Wut, und plötzlich lief ihm ein Schauder über den Rücken.
Er brauchte Victoria, damit sie ihm weiterhalf.
Es ist Zeit, dachte er, dass ich sie zurück in die Stadt bringe .
Chris ging die Treppe hinauf, leise, um niemanden zu wecken, enttäuscht, dass Victoria nicht auf ihn gewartet hatte und vielleicht jenes Shirt trug, das er so aufregend fand. Er wollte sie unbedingt in diesen winzigen Spitzendingern sehen, die sie Tangas nannte. Verdammt, dachte er, ich will sie einfach nur sehen.
Aber es war schon nach Mitternacht, und obwohl er nach der Begegnung mit Becket immer noch aufgekratzt war, beschloss er, bis zum Morgen zu warten. Er ging in sein Schlafzimmer, legte den Revolvergurt ab und hängte ihn über einen Stuhl. Mondlicht fiel durch das weit geöffnete Fenster herein, erhellte das Zimmer. Chris setzte sich auf einen Stuhl, um sich Stiefel und Socken auszuziehen, dann stand er auf, um seine Kleidung abzulegen und den Geruch des Saloons von sich abzuwaschen. Der Wind frischte auf, bauschte die Vorhänge.
Als er gerade dabei war, sich abzutrocknen, hörte er ein leises Knacken und blickte sich stirnrunzelnd um. Chris zündete
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