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Wenn Zauberhaende mich beruehren

Titel: Wenn Zauberhaende mich beruehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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gesagt hatte, er hätte sechs Töchter, war in Wahrheit ein Alkoholiker, der jeden Cent, den er in den Minen verdiente, zu Prostituierten brachte und in der Tür der Wäscherei schlief, weil er es dort wärmer hatte. Howie war ein Kutscher namens John Howard mit einer Vorliebe für rohe Zwiebeln. Neds Vater besaß einen der Saloons, und Cole beneidete Ned glühend, weil er Bier trinken durfte.
    Ruth Jordan plauderte und plauderte. Ihre Stimme hörte sich zwanglos und unterhaltsam an, und viele von ihren Schilderungen brachten Kady zum Lachen, aber irgendwann begann sie einen leisen Unterton zu spüren. Ließ Ruth Jordan absichtlich etwas aus oder bereitete sie sie auf etwas Grauenhaftes vor?
    Kurz nach Sonnenuntergang brachte ihnen der unauffällige, aufmerksame Joseph kaltes Brathühnchen und Salat. »Was halten Sie eigentlich vor mir zurück?« fragte Kady plötzlich.
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen ...«, begann Ruth Jordan, brach aber nach einem Blick in Kadys Gesicht ab. »Vermutlich bringt es mir nichts, so zu tun, als wäre alles in Ordnung, oder?«
    »Nein. Ich glaube, es ist zu spät, irgend etwas vor mir verbergen zu wollen. Aus welchem Grund ich auch auserwählt wurde - ich scheine bis zum Hals in der Sache drinzustecken.«
    Als Ruth Jordan wieder zu sprechen begann, hatte sich ihre Stimme verändert. Sie erzählte von ihrem Schmerz und der Verärgerung, die sie über Kadys Brief empfunden hatte. Zunächst hätte sie ihn für einen weiteren Versuch gehalten, Geld aus ihr herauszuholen. »Aber Ihr Brief war anders. Sie hörten sich an, als wollten Sie ihm den Hals umdrehen.«
    Kady lächelte. »Ja, diese Empfindung überkam mich häufig. Er hat so eine Art, die diesen Wunsch in einem weckt. Er fragt nicht, er sagt einem einfach, was man zu tun hat.« Ihr wurde die Kehle eng. »Oder hat es getan.«
    »Immer wieder gab es Gerüchte, daß es in Legend spukt«, fuhr Ruth Jordan fort. »Die Geister von Menschen, die einst hier gelebt hatten, schienen noch immer umzugehen.«
    »Was ist mit den Leuten von Legend geschehen, nachdem Cole und seine Familie gestorben waren?«
    Als Ruth Jordan nicht sofort antwortete, sah Kady sie an und stellte fest, daß die Frau innerhalb von Minuten um mindestens zehn Jahre gealtert zu sein schien.
    »Ich hatte keine Ahnung, daß Cole vom Tod seiner Familie wußte«, sagte Ruth Jordan leise. »An diesem grauenhaften Tag versuchten wir, die Wahrheit vor ihm geheimzuhalten. Seine Schwester und sein Freund Tarik waren sofort tot, aber Cole lebte noch drei Tage. Wir sagten ihm, daß es den beiden gutginge, sie ihn aber nicht besuchen könnten, weil sie zur Schule müßten. Es war natürlich eine unsinnige Ausrede, aber Cole machte den Eindruck, als würde er sie akzeptieren. Während dieser drei Tage verbrachte ich jede Minute bei Cole. Lily kümmerte sich um ihre tote Tochter, und dann...«
    Zögernd sah Ruth Jordan Kady an. »Lily ließ erst ihre Tochter aufbahren und später die Leichen ihres und meines Mannes, die von den Bankräubern erschossen worden waren.« Ruth Jordans Gesichtszüge wurden noch bitterer, ihre Lippen zuckten. »Die Kinder waren nicht von den Verbrechern getötet worden, sondern die >guten< Bürger von Legend hatten sie ermordet.«
    Eine Weile lang starrte Ruth Jordan in die Nacht hinaus. Als sie sich Kady wieder zuwandte, hatte sie sich wieder soweit in der Gewalt, daß sie lächeln konnte. »An einem Tag hatte ich alles verloren. Drei Tage nach der Schießerei lebte nur noch Lily, Coles Mutter, und ich konnte ihr ansehen, wie sie sich in sich selbst zurückzog. Sie konnte den Verlust nicht ertragen.«
    Wieder schwieg Ruth Jordan, aber Kady ahnte, daß es da noch mehr gab, sehr viel mehr. Aber offenbar war es sehr schwer auszusprechen. Stumm wartete Kady ab. Das einzige Geräusch um sie herum waren der Wind in den Bäumen und der Ruf eines Coyoten in der Ferne.
    »Ich kann die Schrecken dieser Tage kaum beschrei-
    ben«, fuhr Ruth Jordan so leise fort, daß Kady sie kaum verstehen konnte. »Mein Mann, mein einziger Sohn, meine beiden Enkelkinder waren tot. Nachdem auch Cole gestorben war, wurde Lily katatonisch. Sie saß in einem Schaukelstuhl und weigerte sich zu weinen, irgend etwas zu sich zu nehmen. Sie blickte nur aus dem Fenster, und ich wußte, daß sie am liebsten mit ihnen gestorben wäre.«
    Ruth Jordan atmete tief durch. »Der einzige, der noch lebte, war Tariks Vater. Oh, was war Gamal für ein gutaussehender Mann. So dunkel wie meine Familie

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