Wenn Zauberhaende mich beruehren
einzige Weiche in seinem Gesicht war sein wohlgeformter Mund, und Kady fand, daß seine Lippen so sanft wie die eines Kindes wirkten.
Aber in seinen Augen sah sie Schmerz. Eine Qual, die so tief zu sitzen schien, daß er vermutlich gar nicht wußte, woher sie kam. Doch Kady wußte es.
Sie erinnerte sich daran, daß sie einmal geglaubt hatte, Gregory hätte Ähnlichkeit mit diesem Mann. Nein, dachte sie jetzt, Gregory hat absolut keine Ähnlichkeit mit diesem Mann. Kein Mann auf Erden sieht so aus wie er.
»Ich nehme an, daß Sie Miss Long sind«, sagte er, und seine Stimme war die aus ihrem Traum: tief, aber irgendwie rauh, heiser.
Kady hatte das Gefühl, jeden Moment zu Boden zu sinken. Sie griff nach der Armlehne eines weinroten Sessels und ließ sich hineinfallen.
»Und was wollen Sie nun von mir - nachdem Sie sich gewaltsam Zutritt verschafft haben?«
Aber Kady konnte nicht antworten. Sie konnte ihn nur anblicken, mit einer Mischung aus schwindelerregender Freude und Furcht, denn es war ein atemberaubendes Gefühl, den Mann aus ihren Träumen leibhaftig vor sich zu sehen.
Stirnrunzelnd sah C.T. Jordan die Besucherin an und wünschte, sie wäre nicht so verdammt hübsch. Sie besaß fast meterlange, seidige schwarze Haare, die sie zu einem Zopf geflochten hatte, der, dick wie sein Arm, auf der Sessellehne lag. Dichte Wimpern umrahmten hinreißende braune Augen über einer zierlichen Nase, und ihre ungeschminkten Lippen waren tiefrosa. Und ihre Figur! Sie verbarg sie zwar unter weitfallendem Stoff, aber er konnte die sinnlichen Formen ahnen ...
Pure Lust, Jordan, sagte er sich. Aber du bist zu alt, um dich von Lustgefühlen überwältigen zu lassen. Er wußte, warum sie gekommen war und was sie wollte. Hatte er nicht schon immer gewußt, daß dieser Tag irgendwann einmal kommen würde?
»Ich ... ich bin Ihrer Großmutter begegnet«, brachte sie mit Mühe über die Lippen.
»Meine Großmutter ist gestorben, als ich drei Jahre alt war. Und ich bezweifle, daß Sie damals überhaupt geboren waren.«
»Nein, ich ... ich bin der Frau begegnet, die lange vor ihrer Geburt gestorben ist.« Großer Gott, sie hörte sich an wie irgendein New Age-Guru.
Sein gönnerhaftes Lächeln sagte ihr, daß er ihrer Meinung war. »Ah, ich verstehe. Gehe ich recht in der Annahme, daß Sie die Frau meinen, die mein Großvater immer nur liebevoll >die erbarmungslose Ruth< nannte?«
Kady zuckte zusammen. »Ruth Jordan war eine sehr liebenswerte Frau, und sie versuchte lediglich...« Sein überhebliches Lächeln ließ sie verstummen. Sie spürte Wut in sich hochsteigen. Was eigentlich unsinnig war, denn schließlich war sie in sein Büro eingedrungen und hatte daher keinerlei Anlaß, über ihn verärgert zu sein. Aber er - oder sein Klon - gehörte irgendwie zu ihrem Leben. Er war ihr tausendmal im Traum erschienen. Sollte er sie da nicht wiedererkennen? Bei ihrem Anblick stutzen?
Aber er musterte sie, als wäre sie eine Belästigung, als warte er auf eine von ihm vorhergeahnte Aktion. »Langsam beginne ich zu begreifen«, sagte er. »Sie halten sich für eine Art Hellseherin und sind gekommen, um mir eine Botschaft aus der Vergangenheit zu überbringen. Also kommen Sie endlich zur Sache. Wieviel muß ich für diese Information zahlen? Hundert? Tausend? Ich hoffe, nicht noch mehr.«
Kady runzelte die Stirn. »Ich will kein Geld von Ihnen.«
»So?«
Gelassen musterte er sie von Kopf bis Fuß, dann sah er ihr wieder in die Augen. Kady spürte, wie ihr am ganzen Körper Schweiß ausbrach. Sah er alle Frauen so an wie sie?
Mit skeptisch hochgezogenen Brauen wartete er darauf, daß sie weitersprach.
Kady riß sich zusammen. »Ruth Jordan bereute, was sie ihrem Sohn angetan hat. Sie wollte es wiedergutmachen, ist aber zu früh gestorben. Er ist nicht zu ihrer Beerdigung gekommen.« Ihr war bewußt, wie zusammenhanglos sie sich anhörte, und holte tief Luft, um ihre Nervosität in den Griff zu bekommen. »Sie hat mich gebeten, nach ihren Nachkommen zu forschen und ... nun, einfach nur Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Und ich wollte Ihnen sagen, daß ...«
Seine Lippen verzogen sich zu einem zynischen Lächeln. »Erwarten Sie allen Ernstes, daß ich Ihnen das glaube? Daß Ihnen meine längst verstorbene Urgroßmutter aufgetragen hat, mir einen Besuch abzustatten? Nur, um einfach mal so >Guten Tag< zu sagen?«
Kady lächelte honigsüß. »Ich bin nicht nur Ihrer Urgroßmutter begegnet, ich habe auch Ruth Jordans Enkel geheiratet, der
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