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Wer aaahh sagt...

Wer aaahh sagt...

Titel: Wer aaahh sagt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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sagte, sie könne es nicht mehr länger aushalten. Nach fünfzehn Jahren würde sie mich am Montag verlassen. Ich zuckte die Schultern. Ich sah zu, wie die Katze den Ratten folgte, die das sinkende Schiff verließen.
    Ich teilte Jims Sekretärin den Namen des gegnerischen Abgeordneten mit, aber am nächsten Morgen stand in den Zeitungen als einzige neue Nachricht, daß Annabel zur Vizepräsidentin der Gesellschaft der Menschenfreunde (dieser langweiligen eingebildeten Wohltäter), der Gesellschaft für Moralische Gesinnung (wo man glaubt, daß jeder so langweilig hochgeistig leben sollte wie ihre Mitglieder) und der Meadowsweet (der Freiluftlangweiler) gewählt worden war. Seufzend aß ich meinen Magermilch-Porridge. Ich hoffte nur, das arme Mädchen würde erkennen, daß das bedeutungslose Auszeichnungen waren, die nur wegen der Publizität verliehen wurden.
    »Nicht einer von ihnen würde ihr während der Verhandlungspause eine warme Mahlzeit bringen lassen«, bemerkte ich bitter zu Sandra.
    »Du wirst wirklich noch zum Zyniker.«
    »Nach dieser Woche würde ich nicht einmal von Johannes dem Täufer einen Gebrauchtwagen kaufen. Ich glaube, die Regierung wird ihr Recht auf ein Verfahren im Old Bailey in Anspruch nehmen und sie vor eine Art Standgericht stellen.«
    Ich hatte unrecht. Annabel wurde Anfang Mai von den Richtern in Churchford abgeurteilt. Das war das
    Los aller kleinen Diebe dieses Ortes. Die Regierung schickte jedoch gewissermaßen einen Vorschlaghammer, um eine Erdnuß zu knacken. Aus Whitehall erschien nämlich der Generalstaatsanwalt höchstpersönlich - der höchste Rechtsbeamte der englischen Krone, ein Mitglied des Privy Councils, der Präsident der englischen Anwaltskammer, der Amtsnachfolger von Francis Bacon und Lord Birkenhead. Dies zeigte, wie empört die Regierung war, daß die geistige Labilität eines ihrer Abgeordneten zur Schau gestellt worden war.
    Die Ladendiebstähle, die Drogen und die Teilnahme an nicht angemeldeten Demonstrationen klangen wie die kriminellen Vorstufen zu der furchtbaren Tat. Sie bekam sechs Monate. Weniger hätten unsere guterzogenen Richter als ebensolche Unhöflichkeit ihrem geschätzten Besucher gegenüber angesehen wie eine Einladung zu einem ungenießbaren Abendessen.
    Walter Elmsworthy und ich verließen zusammen das Gericht.
    »Was hältst du von der ganzen Sache?« fragte ich trübsinnig.
    »Ich kann an nichts anderes denken als daran, wie erleichtert ich bin, daß ich Lynda Proudfoot wieder einstellen kann. Ihre Nachfolgerin war furchtbar, hat immer alles vergessen. Wie ich gehört habe, verläßt deine Sprechstundenhilfe dich}«
    Nach Annabels Verurteilung wurde der Fall als Material für die Fernsehsendung Mediascope freigegeben. An diesem Abend wurde Jim von Heathcoate Bullwhistle interviewt, der den meisten Menschen unseres Landes in politischer Hinsicht aus dem Herzen spricht.
    Jim war selbstsicher, liebenswürdig und schamlos. Er verstand es geschickt, die Empörung, die die ganze Nation so genüßlich an ihm ausgelassen hatte, auf Annabel zu übertragen. Was sollten die Zuschauer von einer Jugendlichen halten, die vertrauliche ärztliche Gutachten stahl und sie an die lokale Zeitung verkaufte? Danach kam Annabels großartiger oppositioneller Abgeordneter ins Bild. Mit seiner rosigen Gesichtsfarbe, der Stupsnase und dem üppigen goldblonden Haar erinnerte er an ein Ferkel im Stroh.
    Ja, die Zeitungen hätten die Wahrheit gesagt. Er kenne diese junge Dame namens Annabel. Er habe sich auf irgendeiner Party einmal kurz mit ihr unterhalten -ein Abgeordneter müsse sich um so viele Leute kümmern, das sei schließlich seine Pflicht. Er sei verwundert, daß sie ihn in diese schmutzige Affäre hineingezogen habe. Er nehme an, er sei der einzige Politiker, den sie kenne.
    »Würden Sie sagen« - Heathcoate Bullwhistle starrte durch seine Brille - »daß die Vorgangsweise des Mädchens bösartig war?«
    Der Abgeordnete seufzte. »Als Privatmann würde ich sagen ja. Aber als Mann der Öffentlichkeit muß ich es ertragen, von Übeltätern, die ihre eigene Haut retten wollen, benutzt zu werden.«
    Ich drückte auf den Knopf, um diesen Ausdruck bekümmerter Selbstlosigkeit verschwinden zu lassen.
    »Wenn dieser Mann jemals einen Hahn krähen hört, dann möge er vor Scham sterben«, sagte ich zu Sandra.
    Meine Hand zitterte, als ich den Glenmorangie einschenkte. Ich erinnerte mich dunkel an eine Bemerkung Claude Cockburns, des witzigsten Mannes, der je beim Daily

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