Wer aaahh sagt...
erfahren?«
Ich sah, daß Annabel mit ausdruckslosem Gesicht am Fuß der Treppe stand.
»Du warst der einzige Mensch auf der Welt, dem sie die Wahrheit über diesen... diesen... Schurken anvertraut hat«, sagte er angewidert. »Oh Gott, was für eine elende Geschichte. Zunächst habe ich nicht einmal geglaubt, daß man sie gegen Kaution freilassen würde.«
»Es war der Herausgeber, der Annabels Namen preisgegeben hat«, protestierte ich. »Das hat mir Walter Elmsworthy erzählt.«
»Aber die Polizei muß den Namen schon gewußt haben, als sie zu ihm kam.«
»Warum?«
»Weil der Herausgeber Annabel feierlich versprochen hat, sie zu schützen.«
»Wenn man feierliches Auftreten allein für die Einhaltung von Versprechen garantieren würde, gäbe es keinen Ehebruch.«
»Aber ein Mann in seiner Position...« Seine Geste drückte Ungläubigkeit aus. »Ein Mann, der für eine der großen Zeitungen unserer Nation verantwortlich ist. Es ist undenkbar, daß er auf so unehrenhafte Weise sein Wort bricht.«
»Blödsinn!« unterbrach ich ihn. »In seiner eigenen Zeitung liest er jede Woche zahllose solcher Beispiele.«
Douglas Blackadder fuhr hartnäckig fort: »Besonders wenn seine Informantin noch minderjährig ist, sich in der Welt nicht auskennt und nicht weiß, daß sie eine schwere Anklage zu erwarten hat.«
»In dem Augenblick, in dem ihm selbst eine Anklage blüht, hätte er selbst die eigene Großmutter verraten.«
In Douglas Blackadders Ärger mischten sich Zweifel. »Ich glaube, jeder versucht, seine eigene Haut zu retten, wenn er einem Polizisten gegenübersteht. Egal, ob er die Zeitung nun herausgibt oder verkauft.«
Annabel brach ihr Schweigen. »Doktor Gordon kann meinen Namen nicht verraten haben, Daddy.«
»Warum nicht?« wollte er wissen.
»Weil er nie schlecht von mir gedacht hat, wegen der Drogen und der Ladendiebstähle und so. Er meinte nur, ich sei ein verdammter kleiner Dummkopf. Ich wußte, ich konnte ihm vertrauen. Er hätte mich nie in Schwierigkeiten gebracht. Er meinte, es gibt schon genug Ärger auf der Welt, da muß man selbst nicht noch mehr machen.«
Das schien ihren Vater zu beruhigen.
»Ja, Richard, ich weiß, daß du ein guter Kerl bist. Dieser teuflische Brief hat unserer Familie schon genug Schaden zugefügt. Er darf nicht noch mehr zwischen uns anrichten.«
Ich stimmte ihm herzlich zu. »Wir müssen praktisch denken«, bekräftigte ich.
»Ich bin schon in Sir David Napleys Kanzlei gewesen. Dort sitzen die besten Strafverteidiger von London.«
Ich fuhr energisch fort: »Annabel muß diesen liebenswürdigen Abgeordneten ausfindig machen, den sie auf der Party kennengelernt hat. Er ist derjenige, der den Torpedo abgefeuert und so ein Leck in ein Wrack verwandelt hat. Und er hat ihr sein Ehrenwort gegeben, sie vor den Konsequenzen zu schützen.«
Douglas Blackadder fragte zweifelnd: »Glaubst du, daß man in Westminster eher Versprechen hält als in der Fleet Street?«
»Sein Parteivorsitzender könnte Druck auf ihn ausüben, damit die Anklage fallengelassen wird. Politik spielt sich oft hinter den Kulissen ab. Was im Vordergrund passiert, dient oft nur dazu, das niedere Volk, das draußen vor der Tür zittert, zu beeindrucken.«
»Aber ich habe es schon versucht.« Annabels Stimme klang nervös. »Seine Sekretärin sagt andauernd, er sei beschäftigt.«
»Sag ihr, er sollte sich besser die Zeit nehmen, mit dir zu reden«, erklärte ich finster, »sonst würdest du Jim Whynn von seinem auffallend undankbaren Verhalten erzählen, dem es nicht schwerfallen wird, die Geschichte morgen in die regierungsfreundlichen Blätter zu bringen. Egal ob rechts oder links«, sinnierte ich, »unsere Politiker wollen eine weiße Weste behalten.«
Annabel schauderte. »Ich will mit keiner Zeitung mehr reden. Ich will nicht einmal mehr eine lesen.«
»Dann werde ich die Sache in die Hand nehmen«, sagte ich energisch.
Ich ging hinaus. Dabei hatte ich das unbehagliche Gefühl, daß das einzige, was ich bei Douglas Blackadder erreicht hatte, war, ihn davon zu überzeugen, daß ich ein geschickter Lügner bin.
Ich unterschrieb das Protokoll bei der Polizei. Ich gab immer noch nicht zu, daß Annabel mir alles gestanden hatte. Ich kam mir vor wie der kleine Junge auf dem wunderschönen Gemälde Wann hast du deinen Vater das letzte Mal gesehen? und der den Roundheads antwortet: »Ich bin Waise.«
Als ich in die Praxis kam, bat mich Mrs. Jenkins zitternd um eine private Unterredung. Sie
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