Wer aaahh sagt...
Worker gearbeitet hat: »Aber schließlich ist eine Katzenkralle eine Katzenkralle und muß als Teil der Katze betrachtet werden.«
Die arme Annabel! Sie hatte keine Krallen.
Es war ein sehr trauriger Fall, weil jeder sich normal verhalten hatte - so gut er es eben verstand.
8
»Torschlußpanik!« rief ich aus. »Das ist das deutsche Wort, nach dem ich gesucht habe.«
»Was, Liebes?« fragte Sandra und aß ihr Müsli, dieses Futter für Papageien mit Verdauungsstörungen.
»Torschlußpanik!« wiederholte ich.
Ich stand vom Frühstückstisch unserer sonnendurchfluteten viktorianischen Küche auf und starrte durch das Fenster in den blühenden Flintergarten.
»Was bedeutet es denn?« fragte sie, während sie über Fred Bassett schmunzelte.
»Angst, daß die Tore sich schließen - ein deutsches Wort. Die Deutschen sind tiefsinnige Denker.«
»Welche Tore?« fragte sie abwesend.
»Die Tore des Lebens.«
Sie murmelte: »Wenn du in der Nähe der High Street bist, könntest du mir bitte rotes Johannisbeergelee mitbringen?«
Ich seufzte. »Jetzt, da meine Arterien sich verhärten, mein grauer Star schlimmer wird, meine grauen Zellen nicht mehr so wollen - und ich muß Jilly dazu bringen, daß man im Krankenhaus etwas gegen meine Krampfadern tut -, frage ich mich: Was habe ich in meinem ganzen Leben vollbracht? Was tue ich jetzt?«
Sandra seufzte tief auf. »Es ist wirklich mein innigster Wunsch, daß Jilly und Peter endlich ihren Hochzeitstermin festlegen. Es ist wie eine tickende Bombe in unserem Familienleben.«
In tragischem Tonfall fuhr ich fort: »Ich kann nicht mehr mit den neuesten Errungenschaften in der Medizin
mithalten, geschweige denn mit dem neusten idiotischen Gesundheitsfanatismus. Diese unverschämte Charlotte hatte recht. Ich bin altmodisch. Es macht nichts, wenn ein praktischer Arzt Fett ansetzt, aber man braucht nicht besonders intelligent zu sein, um sich zu engagieren und am Ball zu bleiben. Was tue ich? Ich gebe Valium aus wie ein Bankangestellter Fünfpfundnoten. Ich bin angeekelt.«
Sandra bemerkte plötzlich, daß mein Innerstes in Aufruhr war.
»Du trübsinniger alter Esel! Solche Gedanken an diesem schönen Maimorgen.«
»Verdammter Frühling!« murmelte ich wütend. »Die Jahreszeiten wechseln allmählich schneller als das Fernsehprogramm. Mir kommt es vor, als sei dauernd Weihnachten. Wie viele Frühlinge noch«, fragte ich, »bis ich meine letzte Fahrt antrete?«
Sie zeigte sich von ihrer besten Seite. »Du hast doch dein Billard.«
»Billard!« schnaubte ich.
Endlich, beunruhigt von meiner schwermütigen Miene, legte Sandra die Zeitung zur Seite und stand auf.
»Richard, Liebling! Überleg doch mal, wie gut du es hast. Du hast ein nettes Zuhause, eine nette Familie, eine nette Frau.«
Ich stimmte ihr in allem zu.
»Und niemand kann es dir verdenken, daß du mitgenommen bist nach dem furchtbaren Monat, den du mit Jim Whynn und der armen kleinen Annabel durchmachen mußtest.«
»Verdammter Quaggy!« brummte ich verächtlich.
»Küß mich!« sagte Sandra. »Nein, nicht so, so wie bei unserer Hochzeit. Ja, so ist es gut.«
Ich kam mir vor wie Judas, der an Jesu Ohrläppchen knabberte.
Ich fuhr in die Morgensprechstunde.
Mrs. Jenkins Vertretung arbeitete bereits eifrig in meinem Sprechzimmer.
»Guten Morgen, Mrs. Osgood.«
»Guten Morgen, Herr Doktor.«
»Möchten Sie Ihren Kaffee jetzt oder lieber erst später, Doktor?«
»Ich glaube, ein bißchen später.«
»Ganz wie Sie wünschen, Herr Doktor. Ich habe alle Krankenblätter bereitgelegt, in der richtigen Reihenfolge.«
»Danke, Mrs. Osgood.«
»Nichts zu danken, Herr Doktor. Die erste ist Mrs. Days, die Alkoholikerin.«
Ich seufzte. »Davon gibt es heutzutage schon so viele.«
»Wie recht Sie haben, Herr Doktor.« Sie zögerte. »Ich habe Ihnen nie davon erzählt, oder? Mein Ex-Mann war ein psychopathischer aggressiver Alkoholiker.«
»Was Sie nicht sagen! Dieses Schwein!«
Mrs. Osgood hatte die raffinierte Angewohnheit, ihren Blick zu senken, wenn sie sprach. Sie hatte eine rauhe Stimme, war schlank, ruhig, sanft und anmutig. Sie erinnerte an eine Renaissancemadonna mit einem phantastischen Busen.
Sie war genauso alt wie meine Tochter Jilly.
»Oh, ich denke ohne Bitterkeit an ihn«, fuhr sie mit weicher Stimme fort. »Schlimme Fehler können auch ihre guten Seiten haben, oder? Wenn man sich nur die Mühe macht, nach ihnen zu suchen. Eines Tages muß ich Ihnen mal die ganze Geschichte meiner
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