Wer aaahh sagt...
Scheidung erzählen, Herr Doktor.«
»Ja, bitte, jederzeit. Ich werde ganz Ohr sein.«
»Trotz all des Elends wurde mir klar, daß mein Mann krank und nicht bösartig war. Diese Erfahrung rief bei mir das starke Verlangen hervor, anderen Menschen, denen es vielleicht noch schlechter geht, zu helfen.«
»Was Sie auf so reizende Weise tun.«
»Danke, Herr Doktor. Mein Mann war vorher natürlich schon zweimal verheiratet gewesen.«
»Wirklich? Was sind Sie doch für ein armes kleines Ding, Mrs. Osgood.«
»Vielleicht machte ihn das so anziehend. Komisch, aber anscheinend hab ich immer schon eine Vorliebe für ältere Herren gehabt.«
Sie blickte auf und sah mich an.
Ich schluckte.
»Ich habe eine Dose Schokoladenkekse mitgebracht, Herr Doktor. Sie müssen sie zum Kaffee probieren.«
»Wie reizend, Mrs. Osgood.«
Sie tätschelte meine Hand. »Sie brauchen jemanden, der sich um Sie kümmert, Doktor.«
Sie ging hinaus. Ihre Beine waren so wohlgeformt wie Weißweinflaschen.
Ich saß da und starrte auf Mrs. Days Krankenblatt.
In den vierzehn Tagen, die Mrs. Osgood bei mir arbeitete, hatte sie mir öfter grünes Licht signalisiert als die Ampeln in der Stadt. Ein Gedanke quälte mich, ein schrecklicher, peinigender, aufregender, köstlicher Gedanke. Jeder Blick schien zu sagen: Um Antwort wird gebeten. Sollte ich die charmante Einladung erfreut annehmen?
Ich war ein guter Ehemann, geachtet als Vater, genoß einen untadeligen Ruf in der Stadt, und Gott weiß, was man im Golfclub von mir denken würde.
Ich führte mir nüchtern vor Augen, was wir Ärzte das endokrine Orchester nennen: die Drüsen, deren harmonischen Hormone den Ton der Liebe anstimmen, so wie sie nach der stürmischen Ouvertüre der Pubertät für die leidenschaftliche Symphonie der Jugend, die Programmmusik in der Mitte des Lebens und die Klagegesänge des Alters verantwortlich sind. Ich fragte mich, ob Mrs. Osgood wohl die letzte Chance verkörperte, bevor sie mir das letzte Ständchen bringen würden. »Torschlußpanik!« rief ich aus und erschreckte die Patientin.
Bei Kaffee und Schokoladekeksen bemerkte ich: »Mrs. Osgood, wären Sie an einer Dauerstellung interessiert?«
»Oh, Herr Doktor«, sagte sie mit rauher Stimme, »ich freue mich wahnsinnig, daß Sie mich das fragen. Darf ich darüber nachdenken?« Sie schlug die Augen nieder. »Es gibt da noch jemanden in meinem Leben, an den ich denken muß.«
Ich schnappte nach Luft.
»Ein anderer Mann?«
Sie sah mich an. »Oh nein, Herr Doktor. Ich habe leider noch nicht den Richtigen gefunden. Heutzutage sind alle so infantil, so unreif und hohlköpfig. Mrs. Whynn hat angerufen, ob sie wohl nach ihrem Mann sehen würden. Er hat Fieber.«
Ich hob die Augenbrauen. »Aber er ist Doktor Quaggys Patient.«
Ich rieb mir die Hände.
Eines von den ausländischen Mädchen öffnete mir die Haustür und führte mich durch das Wohnzimmer in das weiße, runde Schlafzimmer. Jim saß aufrecht in einem Himmelbett, sämtliche Morgenzeitungen über die bestickte Bettdecke verstreut. Er las mit gerötetem Gesicht einen Informationsbericht des Unterhauses. Ich stellte erleichtert fest, daß Charlotte nicht zu Hause war. Ich war mir nicht sicher, ob wir die Sache mit dem Schlachtermesser schon bereinigt hatten.
»Sommergrippe«, verkündete ich, als ich das Thermometer ablas. »Ist im Moment ziemlich verbreitet.«
»Ich könnte es mit Windpocken, Cholera und Lepra auf einmal aufnehmen«, bemerkte Jim fröhlich. »Der Minister, für den ich gearbeitet habe, ist entlassen worden. Es wird in allen Montagszeitungen stehen. Der Premierminister versuchte schon seit Monaten, diesen unfähigen Angeber loszuwerden, aber seine mächtigen Freunde legten sich quer. Es hätte endlosen Ärger mit den Hinterbänklern geben können. Aber jetzt, da jedes Kind, das fernsieht, meine Ansichten kennt, haben sich seine Freunde entschlossen, ihn im Stich zu lassen.«
»Sie sind mit dir einer Meinung?«
»Nicht im geringsten. Sie sehen, daß sein Ruf angeknackst und es daher ratsamer ist, sich von ihm fernzuhalten. Versagen ist ansteckender als jede Grippe. Und der Premierminister ist hocherfreut über die Gelegenheit, als starker, entschlossener Führer der Nation und Verfechter des Leistungsprinzips, in Erscheinung zu treten. Alles deutet darauf hin: Man hat mir so vollständig verziehen, daß ich in ein paar Monaten meine politische Laufbahn wieder aufnehmen kann. Was genau das ist, was mir der Arzt verordnet hat«, schloß
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