Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer aaahh sagt...

Wer aaahh sagt...

Titel: Wer aaahh sagt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
Vom Netzwerk:
Werbung.
    Ich kam in die Morgensprechstunde, die Zeitung stolz unter den Arm geklemmt, und fand eine nervöse Mrs. Jenkins vor.
    »Heute morgen bereits zwei Telefonanrufe, Doktor, verkündete sie, »von Mr. Hosegood aus der Mons Avenue und von Mrs. Lambert vom Himalaya Drive.«
    Ich runzelte die Stirn. »Aber sie sind doch gar nicht meine Patienten, oder? Was fehlt ihnen denn?«
    »Stimmt, es sind nicht ihre Patienten. Sie waren beide sehr ärgerlich. Beide sind hundertein Jahre alt und stehen nicht in der Zeitung.«
    »Alle vier aus Churchford? Allerhand!« rief ich fröhlich aus. »Das muß ich sofort Arthur Crevin erzählen. Er wird sich doppelt freuen.«
    Arthur freute sich überhaupt nicht, als ich ihn anrief.
    »Nicht noch mehr alte Schnorrer!« stöhnte er. »Mich haben heute morgen schon vier angerufen, und ich hab noch nicht mal zu Ende gefrühstückt. Jetzt sind es schon acht, die eigentlich schon dreißig Jahre tot sein müßten. Der Sekt ist gestrichen. Jetzt gibt es Wein und Käse im Extrazimmer des Blue Boar.«
    Als ich nach Hause kam, sah ich einen Porsche vor dem Tor parken. Im Wohnzimmer saß der junge Doktor Lonelyhearts und trank mit Sandra einen Glenlivet.
    Doktor Lonelyhearts hieß eigentlich Doktor Aleyn Price-Brown, hatte sein Examen in Oxford gemacht und war mit Doktor Josephine vom Guy-Krankenhaus verheiratet. Sie wohnten nicht weit von der Foxglove Lane entfernt. Er war ein großer, blonder, genialer Bursche und trug eine Sporthose und ein gelbes Polohemd.
    »Gibt es ein Leben nach der Geriatrie?« begrüßte er mich munter, »Doktor Gordon sagt ja. Ich werde das in meinem nächsten Artikel unterbringen.«
    »Oh, hundert Jahre alt zu werden ist zur Zeit epidemisch«, klärte ich ihn auf. Ich schenkte mir einen Malzwhisky ein und erzählte von meinem Gespräch mit Arthur Crevin.
    »Im ganzen Land leben ungefähr zweitausend Hundertjährige, wußtest du das nicht?« bemerkte er beiläufig. »Wir unterstützen zehnmal so viele Hundertjährige wie vor dreißig Jahren.«
    Sandra fragte nach dem Grund.
    »Keine Ahnung! Vielleicht das Umweltschutzgesetz? Weniger Rauch, Ruß und Smog in den alternden Lungen. Vielleicht auch deshalb, weil man in Großbritannien doch noch die Zentralheizung entdeckt und die nationale Leidenschaft für unterkühlte Räume eingedämmt hat. Oder vielleicht, weil man mehr Vitamin E ißt? Bei unserer Liebesgöttin Barbara Cartland wirkt das Wunder.«
    »Ich glaube, es liegt am Verfall der Religion«, stellte Sandra feierlich fest und schaute aus dem Fenster auf die sonnenbeschienene Kirchturmspitze von St. Alphege. »Wenn man nicht mehr an ein glückseliges Leben nach dem Tod glaubt, stirbt es sich doch sicherlich nicht mehr so leicht, als würde man bloß auf ein anderes Fernsehprogramm umschalten, wenn einen dasjenige langweilt, das man gerade sieht.«
    »Es ist der Sex«, erklärte Doktor Lonelyhearts entschieden. »Man lebt viel länger, wenn man bis achtzig enthaltsam lebt. Das wurde von Wissenschaftlern am Beispiel kanadischer Fruchtfliegen nachgewiesen.«
    »Dann haben die Fliegen jedenfalls etwas, worauf sie sich freuen können.«
    »In Ihrer Sammlung der Hundertjährigen bin ich nur an Mr. Harold Wooljohn interessiert.« Doktor Lonelyhearts ließ sich noch einen Glenlivet einschenken. »Im Echo stand, daß er seit hundert Jahren - minus, sagen wir, zehn oder zwölf Jahre - fünfzig Zigaretten pro Tag raucht.«
    Ich nickte. »Er pafft diese furchtbaren kleinen selbstgedrehten Dinger, an deren Enden teerfarbenes Kraut heraushängt und die wie Musketen aussehen, die jeden Augenblick losgehen können.«
    »Großartig!« Doktor Lonelyhearts rieb sich die Hände. »Eine gute, teerhaltige, filterlose Zigarette. Ich muß ihn nächsten Monat ins Fernsehen bekommen.«
    »Selbst wenn er in Pech gewälzte Tauenden rauchte, würde er der Regierung in seinem Alter kaum als abschreckendes Beispiel dienen können«, erläuterte ich.
    Doktor Lonelyhearts sah beleidigt drein. »Hast du nichts von meinem Stadt-Marathon gehört, der am letzten Sonntag im Juli in London stattfinden soll?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Marathons fangen an, mich zu langweilen. Sie sind eine Mischung aus Hypochondrie und Hysterie. Sie sind eine Modeerscheinung wie die Geißlerbrüder im Mittelalter. Die waren ein schreckliches Ärgernis. Sie schlugen sich blutig, weil sie den Eindruck hatten, daß es ihnen unendlich guttat.« Ich schloß: »Ich habe nichts gegen Masochisten, aber ich habe etwas dagegen,

Weitere Kostenlose Bücher