Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
erlebt. Das Dumme mit den Wolken ist, dass sie so verdammt weit oben sind. Es tut richtig weh, wenn man runterfällt.« Ursula beugte sich vor.
»Aber Dan ist immer noch auf seiner Wolke, wenn du weißt, was ich meine! Er behauptet steinhart, dass er mich immer noch liebt, und ganz egal, was ich zu ihm sage, er besteht darauf, dass ich ihn ebenfalls liebe und dass ich nur wegen Natalie nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Es macht mir Angst, Meredith! Er ist so emotional! Und ich fühle mich so schlecht, weil ich ihn verdächtige …« Als sie abbrach, fragte Meredith leise:
»Weswegen verdächtigen?« Sie sah, dass ihre Freundin geisterhaft erbleichte, und fühlte sich grausam. Doch wenn sie Alan um Rat fragen wollte, dann musste er erfahren, was Ursulas Meinung nach geschehen war. Und wenn es bedeutete, Ursula zum Geständnis eines Verdachts zu zwingen, den sie kaum zu denken wagte, dann musste es eben so sein. Ursula schob die Haare in einer nervösen Geste nach hinten.
»Ich weiß es nicht! Aber ich denke, ich kenne ihn gut genug, um zu merken, wenn er lügt, und er belügt mich wirklich! Es ist sinnlos, mit ihm zu reden! Diese Sache bringt mich fast um den Verstand. Natürlich bedeutet es nicht, dass er Natalie absichtlich ein Leid zugefügt hat. Ich denke eigentlich eher an einen Streit, einen unglücklichen Unfall. Vielleicht mache ich mich auch nur noch mehr zur Närrin, als ich es ohnehin schon bin.« Sie sprang auf und begann das Kaffeegeschirr einzusammeln.
»Nun, das ist sicherlich eine Möglichkeit«, erwiderte Meredith gelassen.
»Aber ist es das, worüber ich mit Alan Markby reden soll? Dass Dan seiner Frau möglicherweise etwas angetan hat?«
»Ja! Nein! Meredith, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll! Ich dachte, wenn ich dich bitte, mit Markby zu reden, wäre es inoffiziell. Keine wirkliche Anschuldigung, sondern nur ein Vielleicht.«
»Sula!«, sagte Meredith scharf. Ihre Freundin erstarrte mit dem Tablett in den Händen.
»Wenn ich mit Alan darüber rede, dann heißt das, mit der Polizei zu sprechen. Denn das ist Alan nun einmal: ein Polizeibeamter. Das vergisst er niemals, und er würde es auch diesmal nicht. Mit vagen Anschuldigungen würden wir nur seine Zeit verschwenden. Er wird darauf bestehen, dass ich etwas spezifischer werde. Und wenn du eine spezifische Anschuldigung erhebst, findet sie sich in den Akten wieder, auf die eine oder andere Weise. Also, bevor ich mit ihm rede – bist du dir auch ganz sicher, dass du das möchtest?« Ursulas Kinn bebte, doch schließlich sagte sie entschlossen:
»Ja.«
»Obwohl wir unter Umständen von Mord reden? Weil es nämlich, wenn es zum Schlimmsten kommt, genau das ist, und etwas anderes vorzugeben würde bedeuten, sich vor der Realität zu verstecken.« Fast unhörbar antwortete Ursula:
»Ja. Ich weiß.« Schweigen breitete sich aus.
»Also gut«, sagte Meredith schließlich.
»Ich rede mit ihm.« Ursula ging mit dem Tablett davon, doch dann drehte sie sich noch einmal um und lächelte traurig.
»Wenn Dan auch nur den Verdacht hätte, dass ich so mit dir rede, würde er mir das niemals verzeihen.«
Alan Markby schob sich vorsichtig durch das abendliche Gedränge im Speisesaal des Bunch of Grapes, in jeder Hand ein randvolles Glas.
»Geschafft«, sagte er, als er sein Ziel sicher erreicht hatte und die beiden Gläser auf den Tisch stellte, der von Wasserrändern geradezu übersät war.
»Ein Cidre vom Fass. Und was genau hat jetzt dein plötzliches Interesse an der Archäologie geweckt? Oder hat Ursula angefangen, Freiwillige zu werben?«
Meredith nahm das Glas dankend auf und begann mit ihrer sorgfältig vorbereiteten Erklärung von Ursulas Dilemma. Während der langen Fahrt nach Bamford am späten Nachmittag hatte sie Zeit genug gefunden, sich genau zu überlegen, was sie Alan erzählen würde, und im Auto hatte es einigermaßen vernünftig geklungen. Jetzt war sie gar nicht mehr so sicher, und Alan blickte wenig überzeugt drein unter dem blonden Haarschopf, der ihm in die Stirn fiel. Seine schlanke, knochige Gestalt war in einer Haltung über den Stuhl gebeugt, die nur allzu vertrauten Skeptizismus zum Ausdruck brachte.
Sie spürte jenes Stechen in der Brust und Flattern im Leib, das halb Vergnügen und halb Schmerz war und das, wie sie wusste, nicht durch eine Magentablette zu kurieren war. Sie fragte sich zum x-ten Mal, ob es wirklich klug wäre, ihm Ursulas Geschichte zu erzählen, und ob es überhaupt eine gute Idee
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