Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
wurde breiter. Die Schuhe waren jeweils am falschen Fuß angebracht worden. Nicht, dass die Vogelscheuche tatsächlich Füße gehabt hätte. Die Schuhe waren einfach unter die Strohenden der Beine geschoben worden, der linke, wo der rechte hätte sein müssen und umgekehrt.
Merediths Lächeln verblasste. Sie runzelte die Stirn und bückte sich, um die Schuhe genauer in Augenschein zu nehmen. Das war eigenartig. Die restliche Kleidung der Vogelscheuche war alt und abgetragen, doch diese Schuhe … sie sahen aus wie neue, teure italienische Damensandalen.
KAPITEL 13
Das Crossed Keys lag am
Market Square und hatte sich früher The Railway Arms genannt. Sein ursprünglicher Name hatte wenigstens einen Hauch von Bezug zu seinem Aussehen und seiner Geschichte besessen. Das Hotel war in den späten 40er Jahren des 19. Jahrhunderts errichtet worden, als die Eisenbahn Bamford erreicht hatte. Es diente als Herberge für Reisende, die das schnelle neue Verkehrsmittel nutzten. Doch im gegenwärtigen Jahrhundert hatte das Management entschieden, dass alte Kutschgasthöfe auf Touristen eine höhere Anziehungskraft ausübten als verkommene viktorianische Eisenbahnhotels, und so war das Etablissement umgetauft worden.
Der neue Name war in jeder Hinsicht unpassend. Das rote Ziegelsteingemäuer mit seinen düsteren Korridoren und den defekten Glühstrumpflampen an den Wänden vermittelte alles andere als eine Atmosphäre von pferdewechselnden Kutschen oder Straßenräubern. Nur wenige Touristen wurden von den ungestrichenen Portalen angezogen oder aßen in dem nüchternen Restaurant.
Meredith bezog ein Zimmer auf der Rückseite, über dem Küchentrakt, nachdem sie sich hatte versichern lassen, dass dies die ruhigere Seite des Hauses war. Klappernde Pfannen und Töpfe, Rufe der Köche und der ständige Hintergrundlärm von Radio One ließen diese Behauptung im Nachhinein zweifelhaft erscheinen. Wenn sie das Fenster geschlossen hielt, blieb zumindest ein Teil des Lärms und des Geruchs nach gekochtem Gemüse draußen. Es war nicht die Sorte von Hotel, in der jemand länger als eine oder zwei Nächte blieb, und Meredith fragte sich, wie lange sie hier wohnen würde. Sie setzte sich auf das quietschende Bett, das hart genug war, um selbst den orthopädischsten Bedürfnissen Genüge zu tun. Auf dem Nachttisch lag eine Gideon-Bibel, und auf einem Schild über dem Fenster stand
»Feuerleiter«.
Feuerleiter? Meredith öffnete das Fenster wieder und beugte sich hinaus. Und siehe da, eine instabil aussehende Eisenleiter führte an der Außenwand bis fast auf den Boden hinunter. Also würden sämtliche Gäste in Nachthemden durch Merediths Zimmer gelaufen kommen, um aus dem Fenster zu klettern, wenn das Crossed Keys Feuer fing. Das war kein besonders erfreulicher Gedanke.
Genauso wenig erfreulich wie der Gedanke an eine Rückkehr nach Islington und zu Toby. Gefangen zwischen beiden unangenehmen Möglichkeiten, holte Meredith ihren Kulturbeutel aus der großen Reisetasche und wanderte auf der Suche nach einem Bad oder einer Dusche über den Korridor. Das Crossed Keys, ohne jegliche Ambition auf einen Stern, besaß keine Zimmer mit angegliederten sanitären Einrichtungen.
Es war früher Abend. Mit der Entdeckung von Natalie Woollards Leichnam waren sämtliche Arbeiten bei der Grabung zum Erliegen gekommen. Ursula war in das Haus ihres Vaters nach Oxford zurückgekehrt. Dan Woollard hatte im Beisein seines Anwalts seine Aussage bei der Polizei in Bamford zu Protokoll gegeben und war anschließend wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Wahrscheinlich war er ebenfalls nach Hause gefahren. Die gerichtliche Feststellung von Natalie Woollards Todesursache war für den folgenden Freitag anberaumt, doch würde sie sicherlich verschoben werden, bis die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen waren. Markby steckte bereits bis zum Hals in besagten Ermittlungen, doch er hatte versprochen, im Crossed Keys vorbeizukommen und sich mit Meredith auf ein schnelles Abendessen zu treffen – falls die Entwicklungen es zuließen. Sie rechnete ziemlich fest mit einem entschuldigenden Anruf und seiner Absage.
Trotz ihrer Zweifel tauchte Alan zur verabredeten Zeit auf, und sie fragte sich kurz, ob er versuchte, ihr etwas zu beweisen.
»Ich dachte, du würdest nicht kommen«, sagte sie und fügte hinzu:
»Tut mir leid. Ich weiß ja, dass du alles versucht hättest. Ich dachte nur, mit einem neuen Fall hättest du vielleicht nicht die Zeit
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