Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
unnachgiebig, wenn es um den Ruf ihrer Mitarbeiter geht.« Sie verzog das Gesicht und warf das Haar in den Nacken, dann sagte sie ein wenig gefasster:
»Nun, was der Ellsworth Trust heute nicht weiß, erfährt er spätestens morgen. Ich könnte die ganze schmutzige Geschichte genauso gut auf eine Neonreklame kleben!«
»Kopf hoch«, sagte Meredith betreten.
»Können wir irgendwohin und einen Kaffee trinken?« Ursula gab sich einen Ruck und schaltete die Zündung ein.
»Es ist alles in Ordnung, wirklich. Ich hab keine Zeit für einen Kaffee. Ich muss noch heute Nachmittag hinaus zur Grabung, leider! Ich brauche Zeit für mich allein, um mich zu sammeln, bevor ich imstande bin, das alles zu ertragen. Mach dir keine Gedanken, weil du die Verhandlung verpasst hast. Es hätte keinen Unterschied gemacht, und eigentlich bin ich froh, dass du nicht mitansehen musstest, was hinterher passiert ist.«
»Es tut mir trotzdem leid, Ursula. Der alte verrückte Mann war schuld daran, dieser Finny. Ich war heute Morgen mit ihm verabredet und wollte ihn hierher fahren, aber anscheinend hat er es vergessen und den Bus genommen. Ich habe Zeit verschwendet, weil ich nach ihm gesucht habe. Ich bin bis hinunter in den Steinbruch gelaufen und zum Landgasthof. Und du sagst, dass er nicht einmal vernommen worden ist?« Ursula runzelte die Stirn.
»Finny? Er war nicht bei der Verhandlung. Ich glaube, der Coroner war sogar ziemlich verärgert, weil die Polizei nicht ordentlich dafür gesorgt hat, dass wenigstens eine der Personen bei der Verhandlung anwesend war, die den Leichnam der armen Natalie gefunden haben.« Verwirrt fragte Meredith:
»Bist du ganz sicher?«
»Selbstverständlich bin ich sicher! Es war nur ein kleiner Raum, und ich konnte jeden sehen. Finny war definitiv nicht dabei. Jemand wie Finny ist nicht zu übersehen.« Der Motor erwachte zum Leben, und sie setzte das Fahrzeug langsam aus der Parkbucht zurück. Meredith trat zur Seite und hob die Hand zum Abschied. Einige Sekunden stand sie noch auf dem nun vermeintlich verlassen daliegenden Parkplatz und blickte dem wegfahrenden Wagen hinterher. Ein Räuspern hinter ihr belehrte sie eines Besseren, und sie drehte sich um.
»Oh«, sagte sie.
»Sie sind also immer noch hier? Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, Ursula Gretton aus der Fassung zu bringen?« Brian kam näher und blieb in respektvollem Abstand stehen, als näherte er sich einem Tier, von dem er nicht wusste, wie es reagieren würde.
»Ich habe sie nicht aus der Fassung gebracht. Das waren andere. Schätze, Ihre Freundin musste sich ein paar unangenehme Wahrheiten anhören.« Meredith hatte nicht vor, mit ihm über Ursulas Angelegenheiten zu streiten. Außerdem interessierte sie eine andere Frage.
»Brian, haben Sie die Vogelscheuche gemacht? Ich meine die auf dem Weizenfeld gegenüber dem Lager der Hippies.« Brians Augenbrauen zuckten.
»Ich mache all unsere Vogelscheuchen. Auch für andere Leute. Es ist nicht ganz einfach, eine gute Vogelscheuche zu bauen, wissen Sie? Die meisten Leute denken, es wäre leicht, aber die Vögel sind nicht dumm. Sie erkennen eine Puppe, wenn sie eine sehen. Man muss schon dafür sorgen, dass sie echt aussieht.«
»Ja, das tut sie tatsächlich. Sie hat mich sehr an Mr. Finny vom Steinbruch erinnert.« Brian bedachte sie mit einem misstrauischen Blick.
»Oh, tatsächlich? Es ist nur ein Gesicht. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wann ich sie gemacht habe.« Plötzlich hatte er es sehr eilig zu verschwinden.
»Ich habe noch eine Menge Arbeit auf der Farm. Auf Wiedersehen.« Und weg war er, stapfte eilig über den leeren Parkplatz zu seinem Land-Rover, der, wie Meredith jetzt bemerkte, in einer abgelegenen Ecke unter ein paar schattigen Bäumen stand. Sie sah ihm hinterher, als er davonfuhr, und stand noch immer dort, als schließlich Markby aus dem Gerichtsgebäude trat und sie erblickte. Nach der Verhandlung hatte Markby eine kurze und nicht sehr freundliche Unterhaltung mit dem Coroner.
»Das ist alles höchst unbefriedigend, Chief Inspector!«, rügte Colonel Harbin ihn verärgert, während er seine Aktentasche packte. Seine blassen blauen Augen traten hervor, und seine fleischigen Nasenflügel bebten. Die Wangen waren übersät von dünnen geplatzten Äderchen. Der alte Coroner redete sich mitunter gern in Rage und auf diese Weise hatte er schon so manchem Juniorbeamten der Bamforder Polizei ein wenig harmlose Unterhaltung verschafft. Doch Markby war
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