Wer anders liebt (German Edition)
mehrere Male. Endlich hörte er von drinnen etwas, die Tür öffnete sich einen Spaltbreit, und ein Mann schaute heraus. Das scharfe Licht traf sein Gesicht, und er kniff die Augen zusammen. Er hatte graue, strohige Haare, seine Haut war blass und hatte offenbar lange keine Sonne gesehen, sie hatte einen bläulichen Schimmer. Er saß in einem Rollstuhl älteren Modells, seine Hände lagen auf den Rädern.
»Wilfred Brein?«, fragte Skarre.
Der Mann schaute sie unwillig an. Sein Hemd hing lose über den Jeans, es war verwaschen und abgenutzt. An den Füßen trug er braune Lederpantoffeln, deren Nähte sich auflösten. Aber etwas an ihm ließ Sejer hellwach werden. Die Ähnlichkeit mit dem dänischen Dichter war umwerfend.
»Polizei«, sagte Sejer. »Wir würden gern einen Moment hereinkommen.«
Brein maß die Männer von Kopf bis Fuß.
»Was wollen Sie denn drinnen?«, fragte er abweisend. Er blieb mit den Händen auf den Rädern sitzen, wie um jeden Moment zurücksetzen und die Tür schließen zu können.
»Reine Routine«, beteuerte Sejer. »In Verbindung mit einem Kriminalfall. Wir haben ein paar Fragen, es dauert nur einen Moment.«
Brein hob das Kinn. Er wollte offenbar etwas klarstellen, die Ermittler waren nicht sicher, was, er sah so jämmerlich aus. Außerdem stimmte etwas mit seinen Beinen nicht, was Sejers Verdacht verstärkte. Seine Oberschenkel waren muskulös, keine Spur von Schwund war zu erkennen.
»Es geht um eine Zeugenaussage«, sagte Sejer. »Eine Aussage, die wir überprüfen müssen.«
»Aussage?«, fragte Brein kurz. »Was soll das denn heißen?«
»Zeugen behaupten, Sie im Linde-Wald gesehen zu haben. Am Sonntag, dem 4. September, nachmittags. Sie haben Sie gesehen, als Sie an der Schranke vorbeikamen. Sie waren auf dem Weg zu Ihrem Auto. Es ist lange her, aber ich muss Sie bitten, nachzudenken.«
Breins Gesicht verschloss sich, seine blauweißen Wangen wurden hohl.
»Ich weiß, dass es schwierig ist, sich nach so langer Zeit noch zu erinnern, aber könnte das stimmen?«, fragte Sejer.
Brein verdrehte theatralisch die Augen.
»Ich glaube, Sie haben den Verstand verloren«, murmelte er. »Haben Sie denn keine Augen im Kopf?«
Er schlug mit den Fäusten auf die Rollstuhlräder.
»Sie müssen schon entschuldigen«, sagte Sejer. »Aber ich glaube, dass Sie diesen Stuhl nur zeitweise benötigen. Während Sie in besseren Zeiten ohne fremde Hilfe zurechtkommen. Sie wurden auch im Supermarkt gesehen und außerdem fahren Sie einen alten Toyota Carina. Der ist nicht für Behinderte eingerichtet. Oder irre ich mich da?
Er nickte zum Toyota hinüber.
Brein schnitt eine Grimasse.
»Ich kann schrecklich schlecht gehen«, behauptete er.
Sejer nickte verständnisvoll.
»Sicher. Aber es gibt offenbar Ausnahmen. Vielleicht war der 4. September eine solche Ausnahme, vielleicht hatten Sie einen guten Tag und haben einen Ausflug nach Linde gemacht.«
»Unmöglich, mit dieser Hüfte«, sagte Brein, legte eine Hand auf seine rechte Hüfte und machte ein leidendes Gesicht.
»Die ist mitten auf einem Fußgängerstreifen von einem Volvo zerschmettert worden. Das Gelenk ist aus rostfreiem Stahl und tut weh.«
»Na gut«, sagte Sejer mit ausgesuchter Freundlichkeit. »Aber vielleicht hatten Sie da oben etwas zu erledigen?«
»Von welchem Fall reden Sie eigentlich?«, fragte Brein. Jetzt wich sein Blick aus, schweifte über den Hofplatz, zur Scheune und zum Traktor.
»Jonas August Løwe und Edwin Åsalid«, sagte Sejer. »Es stand in allen Zeitungen und wurde auf allen Fernsehsendern mehrfach wiederholt. Um es kurz zu machen: Wir suchen Sie seit Monaten.«
Brein legte die Hände auf die Knie, er hatte große Fäuste mit gelben Nägeln.
»Ich habe in der Zeitung davon gelesen«, sagte er. »Die beiden Jungen.«
Er versuchte, sich gerade hinzusetzen, und das gelang ihm mit aufgesetzter Mühe.
»Über die wurde überall geschrieben. Und Huseby wurde wochenlang von Presseleuten belagert. Keine Ahnung, was das mit mir zu tun haben soll, was ist das für ein Nervkram. Jetzt rennt ihr mir schon zum zweiten Mal die Bude ein. Und ich glaube, jetzt ist alles gesagt«, fügte er hinzu.
»Waren Sie am 4. September oben bei Linde?«, fragte Sejer.
»Ich fahre manchmal eine Runde«, sagte Brein. »Und ich kenne mich da oben aus, ich habe mal auf dem Linde-Hof gewohnt. Als Junge. Wir hatten das Waschhaus gemietet.«
»Ist Ihnen ein Paar begegnet?«, fragte Sejer. »Mitte dreißig, gleich bei der
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