Wer anders liebt (German Edition)
Pfeffermühle. Lass uns dafür sorgen, dass die Jungen was Warmes in den Bauch kriegen.«
»Ich finde trotzdem, dass du dir ein paar Gedanken machen solltest«, sagte Johannes. »Du nimmst Schüler mit zu dir. Du spielst mit ihnen, du fütterst sie, und abends fährst du sie nach Hause. Aber es sind immer nur Jungs, Alex.«
Er starrte Alex an. »Kein einziges Mal ist ein Mädchen hier im Haus gewesen. Ich finde, das solltest du mir erklären, hast du denn keine Mädchen in deiner Klasse?«
Alex zuckte mit den Schultern. Eine Weile malte er mit einem Finger auf der Tischplatte herum.
»Natürlich«, sagte er dann. »Aber mit den Jungen komme ich besser zurecht. Oder ich weiß nicht, ich habe mir das nie überlegt. Jetzt erfindest du wieder Probleme, hast du nie von Zufällen gehört?«
»Davon habe ich gehört, und daran glaube ich nicht. Wenn die Polizei hier vor der Tür steht, drehe ich durch.«
»Polizei? Jetzt hör aber auf«, sagte Alex. »Schämst du dich meiner etwa?«
Johannes schaute zur Seite.
»So ist es also«, sagte Alex. »Du schämst dich meiner. Du schämst dich deiner Veranlagung, du schämst dich in Grund und Boden. Während die guten Augenblicke des Lebens an dir vorüberziehen.«
»Das tue ich nicht. Aber hier läuft ein Kindermörder frei herum und die Leute reden über dich.«
Alex stand auf. Er ging zu Johannes, lehnte sich an den Tisch und seufzte.
»Wir werden nie Kinder bekommen«, sagte er.
»Was sollen wir mit Kindern?«, fragte Johannes. »Das Haus ist doch voll davon.«
»Aber ich habe mir immer einen Sohn gewünscht, das ist alles.«
Johannes schnitt weiter Gemüse in Würfel. Jetzt hielt er inne und sank über dem Tisch ein wenig in sich zusammen.
»Hast du die Post mit hereingebracht?«, fragte Alex.
Johannes legte das Messer hin.
»Ja«, sagte er leise. »Ja, ich habe die Post mit hereingebracht, das mache ich immer.«
Er nahm das Messer wieder in die Hand.
»Wo hast du sie hingelegt?«
Keine Antwort.
»Johannes«, fragte Alex, »hast du die Post auf den Kühlschrank gelegt?«
Er versuchte, Johannes’ Unwillen zu verstehen. Oben auf dem Kühlschrank lagen allerlei Werbung, zwei Briefe und eine Ansichtskarte. Die Karte zeigte einen Jungen und ein Mädchen, die am Rand eines Abgrundes Blumen pflückten. Hinter ihnen stand ein Engel mit weißen Schwingen. Das Bild hatte etwas zutiefst Rührendes, und für einen Moment kam sich Alex vor wie dieser Schutzengel, denn er ließ seine Schüler nie aus den Augen. Vielleicht hatte jemand genau das gedacht und wollte ihn jetzt dafür loben. Er drehte die Karte um und las den Text auf der Rückseite.
»Na?«, fragte Johannes.
Alex kehrte ihm den Rücken zu, und Johannes konnte sehen, wie er die Hand an den Mund hob.
»Die ist vom Elternrat«, murmelte er. »Sie bitten um eine Unterredung.«
37
Der Hof Granås bestand aus zwei Wohnhäusern, dem Altenteil, einer Scheune und einem Vorratshaus, dazu fünfunddreißig Hektar Kulturland. Eine Allee aus hohen Birken führte zum Hof, man konnte sehen, dass der Wind vom Wasser her in den Baumkronen gewütet hatte. Als Sejer und Skarre aus dem Auto stiegen, nahmen sie den kalten Luftzug wahr. Unten in einer Senke sahen sie ein altes Haus, es war baufällig, aber mit ein wenig gutem Willen konnte man seinen eigenen Charme erkennen. Üppige und ungepflegte Büsche wuchsen am Wegesrand und ein von einer dünnen Schneeschicht bedeckter Rasen umgab das Haus.
»Was meinst du?«, fragte Sejer.
»Weiß nicht«, antwortete Skarre.
Die Männer gingen um das Haus herum und fanden den Eingang, zwei alte Holzsäulen waren von verwelktem Hopfen bedeckt. Sejer schaute sich auf dem Hofplatz um, sah das verfallene Treibhaus mit den zerbrochenen Fenstern, einen Traktor und eine schwarze Katze, die durch den Schnee schlich. Unter einem Wellblechdach bei der Scheune stand ein Toyota Carina. Für sein Alter war er gut in Schuss, und er war weiß.
»Rollstuhl oder nicht«, sagte Sejer. »Er fährt Auto. Und warum hat er sich keine Rampe zur Tür anlegen lassen? Wie kommt er die Treppe rauf und runter?«
Er drehte sich zu Skarre um.
»Wer von unseren Leuten war hier?«
»Weiß nicht.«
Sejer sah zum Küchenfenster hinüber. Er hätte schwören können, dass er hinter dem Vorhang eine Bewegung gesehen hatte, ein eilig zurückweichendes Gesicht. Er ging die Treppe hoch und klopfte an die Tür, nichts passierte. Ganz bewusst klapperte er laut mit der Türklinke, wartete, klopfte wieder,
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