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Wer anders liebt (German Edition)

Wer anders liebt (German Edition)

Titel: Wer anders liebt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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bedeuten? Dass sie so gegensätzlich waren?«
    »Ich glaube nicht, dass es eine besondere Bedeutung hat. Sie gingen die Straße entlang, als er angefahren kam, beide sind zu ihm eingestiegen, das kann bedeuten, dass sie ihn gekannt haben. Aber ich bezweifele, dass sie Brein gekannt haben, deshalb bin ich unsicher. Das mit dem Rollstuhl glaube ich jedenfalls nicht.«
    »Man hat doch wohl keinen Rollstuhl im Haus stehen, wenn man ihn nicht braucht?«, fragte Skarre.
    Er war unruhig und fing an, im Zimmer hin und her zu wandern.
    »Stell dir vor, Brein setzt sich ab, während wir hier Maulaffen feilhalten.«
    »Wir halten keine Maulaffen feil«, sagte Sejer, »und ich kann mir nicht vorstellen, dass er verschwindet. Bei seiner schlimmen Hüfte. Wir müssen ein bisschen nachdenken, verbeiß dich nicht in ihn, du könntest enttäuscht werden.«
    Skarre ging zur Tür.
    »Komm«, sagte er. »Wir gehen raus. Wir können unterwegs weiterreden, ich brauche frische Luft. Hier stimmt irgendetwas nicht, etwas ist mit Brein. Ich kann jetzt keine weitere Sackgasse ertragen, nicht nach der langen Zeit.«
    Sie gingen in die Stadt. Es war ein wenig mehr Schnee gefallen, eine dünne, puderähnliche Schicht bedeckte Häuser und Straßen. Der Anblick des Schnees berührte sie unangenehm, sie dachten an Edwin Åsalid, und vor ihrem inneren Auge entstanden Bilder von einem gefrorenen Körper in einem Graben.
    »Du meinst also, Brein passt ins Bild?«, fragte Sejer. »Entspricht er unserem Profil?«
    »Frührentner«, sagte Skarre, »einsam, finanzschwach, schlecht angezogen, hat Probleme, wenn er mit Erwachsenen reden soll. Ein bisschen ungepflegt, eine Art Verlierer. Doch, natürlich passt er ins Bild. Aber hinter diesem Äußeren kann sich doch etwas verbergen, das wir bisher noch nicht gesehen haben. Von mir aus sogar etwas Edles, was weiß denn ich.«
    »Etwas Edles? Wieso denn etwas Edles?«
    »Keine Ahnung. Ich will nur keine vorgefasste Meinung vertreten, aber dazu ist es wohl zu spät. Du hast ihn ja auch gesehen, du hast dir deinen Teil gedacht.«
    »Alle Menschen haben Vorurteile«, sagte Sejer. »Sie sind ein wichtiger Teil unserer Schutzmechanismen. Was hast du gedacht, als wir auf Breins Treppe standen? Dein allererster Gedanke. Ganz ehrlich.«
    »Vielleicht ist er es. Vielleicht hat er Edwin und Jonas August umgebracht. Was hast du gedacht?«
    »Vielleicht ist er unschuldig. Wir müssen uns in Acht nehmen.«
    »Ich hab’s ja gewusst«, sagte Skarre. »Du bist ein besserer Mensch als ich.«
    Einige Schneeflocken legten sich auf Sejers graue Haare. Sein scharfes Profil zeichnete sich deutlich vor dem weißen Hintergrund ab.
    »Wir haben nichts zu befürchten, wir leben in einem Rechtsstaat«, sagte er. »Wenn wir eine DNA-Übereinstimmung finden, bekommt Brein die Verteidigung, auf die er einen Anspruch hat. Er wird menschlich behandelt werden und jede Menge Zeit bekommen, um seine Version zu erzählen. Jonas August hatte das alles nicht, und Edwin auch nicht. Sie haben den ganzen Rest ihres Lebens verloren und ihr Tod war grauenhaft. Sie waren allein und sie hatten Angst. Daran muss ich oft denken.«
    »Ich denke nicht so oft an solche Dinge«, gab Skarre zu. »Mir wird beim bloßen Gedanken schon kalt.«
    »Manchmal ist es nützlich«, sagte Sejer. »Man muss sich selbst an das Verbrechen erinnern, daran wie schlimm es wirklich ist. Und außerdem daran, was in diesem Beruf unsere Pflicht ist.«
    »Und was ist das?«
    »Also, das weißt du doch«, sagte Sejer. »Wir sollen Ehre und Würde wieder herstellen.«
    »Du meine Güte«, sagte Skarre, »das schaffen wir doch überhaupt nicht, wir räumen nur auf, Konrad.«
    »Du solltest dich und deine Mission nicht unterschätzen.«
    »Was glaubst du, was der Staatsanwalt sagen wird?«, fragte Skarre.
    »Dass Jonas August unter ganz besonders grausamen Umständen gestorben ist. Die Strafe wird entsprechend ausfallen. Aber der Mann auf der Anklagebank, wenn wir also jemanden auf die Anklagebank setzen können, wird unbedingt seine eigene Haut retten wollen, und das ist sein gutes Recht. Aber ich muss sagen, ein bisschen Reue wäre angebracht, in norwegischen Gefängnissen gibt es viel zu wenig Reue. Reue würde auch den Hinterbliebenen helfen. Wir Menschen sind schließlich großzügige Wesen, wenn wir die Gelegenheit dazu bekommen.«
    »Ist das deine ehrliche Meinung?«
    »Das ist eine Meinung, die mich aufrecht hält.«
    Skarre bückte sich und hob eine Handvoll Schnee auf, formte

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