Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer anders liebt (German Edition)

Wer anders liebt (German Edition)

Titel: Wer anders liebt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
Vom Netzwerk:
Steg.
    »Was ist mit dir? Was weißt du noch?«
    »Wir wohnten im Gamle Møllevej am Stadtrand von Roskilde«, erinnerte sich Sejer. »Das Haus war weiß mit blauen Fensterläden, und im Sommer war es von Kletterrosen überwuchert. Wir hatten Zwerghühner und jeden Morgen durfte ich die winzigkleinen Eier einsammeln. Und dann hatten wir einen Rauhaardackel namens Ruth. Meine Mutter hatte eine kleine Töpferwerkstatt, sie stellte Krüge und kleine Skulpturen her. Das Haus war voll davon, und sie verschenkte ihre Arbeiten gern an Gäste. In der Schule war ich gut, aber auch schüchtern. Wir hatten eine wunderbare Lehrerin, sie hieß Frau Monrad. Sie war ein Glücksfall. Was glaubst du, gibt es solche heute noch?«
    »Nur sehr wenige«, meine Skarre. »Vielleicht ist Alex Meyer so ein Lehrer. Und vielleicht werden deshalb Gerüchte über ihn in Umlauf gebracht. Es ist zuviel des Guten, deshalb werden seine Motive angezweifelt.«
    »Meyer ist nicht vorbestraft«, sagte Sejer. »Das habe ich überprüft.«
    »Davon gehe ich aus«, sagte Skarre, »aber irgendwann passiert alles zum ersten Mal. Und uns schaden die Menschen, die wir kennen, nicht die fremden. Er kann Edwin ganz besondere Gefühle entgegengebracht haben. Er hat ihm einen eigenen Stuhl in der ersten Reihe gegeben.«
    »Das hat er sicher getan, um ihn zu beschützen«, meinte Sejer.
    »Das kann schon sein. Ich mache nur meine Beobachtungen«, sagte Skarre. »Du sagst doch immer, dass wir auf die kleinen Dinge achten sollen.«
    Sie schwiegen und schauten wieder über das Wasser nach Majaholmen hinüber.
    »Spürst du diesen kalten Luftzug?«, fragte Skarre. »Ehe der Frost einsetzt, werden wir Edwin nicht mehr finden. Was glaubst du, was Maja verbrochen hat, aus irgendeinem Grund hat sie doch auch ihre eigene Insel bekommen.«
    »Siehst du den Kirchturm am anderen Ufer?«, fragte Sejer.
    Skarre nickte.
    »Sie war bei einer Taufe und ruderte über den See zurück, und dann ist sie direkt vor der Insel gekentert. Sie trug ihre Tracht, und die hat sie nach unten gezogen.«
    Er erhob sich.
    »Überleg dir das mal«, sagte er, »eine nasse Tracht, die wiegt soviel wie ein Mann. Ja, ja. Edwin in Schweden? Nie im Leben. Aber es kann ja nicht schaden, einen guten Rat zu befolgen. Jetzt gehe ich nach Hause und stelle meinen Sessel in ein anderes Feld.«
    36
     
    Zwei Jungen beugten sich über ein Puzzlespiel mit fünfzehnhundert Stücken, das Motiv war eine Schlachtszene, Stamford Bridge, 1066, Harald Hardråde kämpft gegen Harald Godwinssohn. Langsam nahm der Kampf vor ihren Augen Gestalt an, aber noch immer mussten viele blutige Teile ihren Platz finden. Der eine hatte einen abgehackten Arm gefunden, der andere hielt einen Kopf in der Hand. Sie arbeiteten schon seit Wochen an diesem Bild, Pferde und Soldaten waren fertig gelegt, und am Himmel tauchten düstere, dramatische Wolken auf. Stumm an die Wand gelehnt, die Arme verschränkt, sah Alex Meyer ihnen zu. Er musterte die Jungen mit wachem Blick, während er zugleich aus dem Fenster schaute, wo langsam ein weißer Mazda auf den Hofplatz glitt. Sekunden darauf tauchte sein Lebensgefährte auf. Er ging mit zwei Einkaufstüten in die Küche, ohne die Jungen zu begrüßen.
    »Nett, dich zu sehen«, rief Alex.
    Johannes packte seine Einkäufe aus, er kehrte Alex den Rücken.
    »Wie war dein Tag?«
    Noch immer umspielte ein Lächeln Alex’ Mundwinkel.
    »Wie alle anderen Tage«, sagte Johannes. »Dieselbe Nervosität, wenn ich nach Hause komme. Die Frage, ob das Haus vielleicht von diesen Gören wieder nur so wimmelt.«
    Diesen Gören. Alex schaute ins Wohnzimmer hinüber.
    »Das sind Oscar und Markus«, sagte er, »ich finde es schön, sie hier zu haben.«
    »Danke, das habe ich schon verstanden, die treiben sich ja seit Monaten hier rum. Aber wenn du ein verantwortungsbewusster Mensch bist, dann hörst du damit auf. Die Leute reden.«
    »Du bist nicht verantwortlich für mich und mein Leben«, sagte Alex. »Und natürlich behalten die Leute uns im Auge, wir sind ja nicht wie sie.«
    Johannes sah ihn vorwurfsvoll an. Er hatte sich die dunklen Haare schneiden lassen, und Alex konnte sehen, wie der Hinterkopf sich über dem schmalen Nacken rundete.
    »Red keinen Unsinn. Das trifft auch mich. Ist ja gut, dass du ein einzigartiger Lehrer bist, aber ihre Freizeit geht dich nichts an.«
    Alex setzte sich an den Küchentisch.
    »Mal ehrlich, Johannes«, sagte er neckend. »Fühlst du dich bedroht?«
    Johannes schwieg. Er

Weitere Kostenlose Bücher