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Wer bin ich ohne dich

Wer bin ich ohne dich

Titel: Wer bin ich ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Nuber
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oftmals sehr befriedigend. Indem sie geben, bekommen sie ja meist auch etwas zurück: Selbstbestätigung, Anerkennung, Zuneigung. Doch nicht immer ist dieses Geben und Nehmen ausgewogen – und dann kann die Beziehungsarbeit zu einer enormen Belastung und zu einem gefährlichen Gesundheitsrisiko werden. Verhalten sich die Personen, denen die Fürsorge und das Denken der Frauen gilt, enttäuschend oder halten sie es für selbstverständlich, dass die Ehefrau, die Mutter, die Tochter sich schon für ihre Belange interessiert und einsetzt, dann kommt es mit der Zeit zu einer seelischen Schieflage: Die Bedürfnisse der Frauen nach Unterstützung und Wertschätzung bleiben unbeantwortet.
    »Jeden Samstag spiele ich Friseuse für meine Mutter«, erzählt eine 54- Jährige. »Ich mache das gerne. Aber es ist für mich jedes Mal ein Spießrutenlaufen. Denn meine Mutter ist alles andere als dankbar. Immer hat sie was zu meckern. Mal ist das Wasser zu heiß, mal sind meine Hände zu kalt. Mal zerre ich zu stark an ihren Haaren, mal drehe ich die Wickler zu schwach, mal steche ich sie mit dem Kamm, mal rede ich zu viel, mal zu wenig. Ich sage meist nichts dazu, denn das würde alles noch schlimmer machen. Aber danach bin ich fix und alle, ich bin jedes Mal mit den Nerven fertig.« Diese Frau ist nicht nur die Friseurin ihrer Mutter, sie ver | 99 | sorgt sie auch täglich mit Essen und putzt ihre Wohnung. Infrage stellt sie ihr Tun bei aller Belastung nicht: »Ist doch selbstverständlich!«
    Dass Frauen in sozialen Beziehungen häufig mehr investieren, zeigt nicht nur die individuelle Erfahrung. Auch empirische Untersuchungen belegen diese Schieflage: Danach bieten andere Menschen für Frauen wenig Schutz. Fehlt der Ausgleich, kann sich ein andauerndes soziales Engagement negativ auf die körperliche und seelische Gesundheit von Frauen auswirken. So berichten Frauen, die in Krisenzeiten einem Familienmitglied oder einer Freundin beistanden, dass sie das kritische Lebensereignis des anderen (Krankheit, Arbeitslosigkeit, Tod eines Partners) zum einen für sich persönlich als enormen Stress empfanden, und dass sich zum anderen ihr intensives Mitleiden auch negativ auf ihre Gesundheit auswirkte: Sie schliefen schlechter, grübelten stärker, fühlten sich hilflos.
    Frauen sind durch ihr hohes Ausmaß an Besorgtheit um andere einem größeren Depressionsrisiko ausgesetzt, vor allem dann, wenn sie ihre Fürsorge mit Selbstaufopferung verwechseln. Doch obwohl sich so manche Frau dieser Gefahr durchaus bewusst ist, findet sie oft nicht aus der Helferinnenrolle heraus. Woran das liegt, bringt eine depressive Frau sehr klar zum Ausdruck: »Ich kümmere mich immer um andere Menschen anstatt um mich selbst – aber wenn ich mich dann mal um mich kümmere, fühle ich mich schuldig.«
Stressfaktor: Pflege
    Im Dezember 2009 waren 2,34 Millionen Menschen pflegebedürftig, wie eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes zeigt. Mehr als zwei Drittel der Pflegebedürftigen werden zu Hause ver | 100 | sorgt. Die Mehrheit der pflegenden Angehörigen ist weiblich: 80 Prozent aller Pflegenden sind Frauen. Wie die Pädagogin Bianca Röwekamp ausführt, werden »die Aufgaben der Versorgung an Partnerinnen oder Schwestern delegiert«.
    Für Frauen bedeutet die Pflege von bedürftigen Familienmitgliedern oft eine völlige Vereinnahmung, die ihnen kaum noch Zeit für sich selbst lässt und sie oftmals sogar zwingt, keine Rücksicht auf sich selbst und ihre Gesundheit zu nehmen. Pflegende Töchter oder Schwiegertöchter müssen oftmals mehr als einen Arbeitstag in der Woche, nämlich über acht Stunden, für die Versorgung der alten Angehörigen aufbringen. Das bedeutet auch, dass sie häufig ihre eigenen Pläne zurückstecken: Sie verzichten auf eine Vollzeitbeschäftigung, gehen ihren Hobbys seltener nach, haben kein eigenes Leben mehr. »Ein Mann kann alles haben«, meint Röwekamp, »den Beruf, Kinder, Frau, Hobby und die Pflege seiner Mutter durch seine Ehefrau und Schwester, aber die Frauen müssen sich entscheiden und abwägen, ihre Kräfte prüfen und herausfinden, ob sie allen gerecht werden.«
    Schätzungen gehen davon aus, dass zwei Drittel der Pflegenden unter Depressionen leiden und dass weibliche Pflegende ganz besonders in Gefahr sind. Verglichen mit männlichen Pflegern berichten Frauen von höheren Depressionsraten, Ängsten, unterdrückten eigenen Bedürfnissen, und sie klagen mehr über die Last der Pflege. Die häusliche Pflege ist

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