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Wer bin ich ohne dich

Wer bin ich ohne dich

Titel: Wer bin ich ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Nuber
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– das heißt sie führen zu einer Vermehrung von Noradrenalin und Serotonin. Der Einsatz dieser Medikamente erfordert sehr viel Erfahrung. Oftmals dauert es lange, bis der Arzt das für die jeweilige Patientin richtige Medikament gefunden hat. Jedes muss individuell ausgewählt und angepasst werden.
    Es gibt im Wesentlichen drei Gruppen von Antidepressiva:
depressionslösende, stimmungsaufhellende Präparate,
  
antriebssteigernde und aktivierende Antidepressiva,
  
entspannende, angstdämpfende Antidepressiva.
    Der behandelnde Arzt muss also eine sorgfältige Diagnose erstellen und herausfinden, welche Symptome bei einer Depression jeweils im Vordergrund stehen. Grundsätzlich müssen Patientinnen und Patienten, die mit Antidepressiva behandelt werden, sehr viel Geduld aufbringen. Nicht immer ist das erste Medikament gleich das richtige, manchmal ist es notwendig, verschiedene Präparate zu testen – jedenfalls war das bislang die gängige Lehrmeinung. Doch aktuelle Studien zeigen, dass der Wechsel von einem zu einem anderen Medikament oftmals nicht von Erfolg gekrönt ist. Manche Psychiater warnen daher, verschiedene | 224 | Medikamente bei einem Patienten auszutesten. Als gesichert aber gilt, dass sich eine Stimmungsverbesserung oft erst nach zwei bis drei Wochen einstellt.
    Die Behandlungsdauer mit Antidepressiva richtet sich nach der Schwere der Depression. Sie schwankt zwischen vier bis zwölf Wochen bei leichteren Depressionsformen und kann etwa sechs Monate dauern, wenn es sich um eine sehr schwere Ausprägung der Krankheit handelt. Auch wenn eine Besserung eingetreten ist, sollten die Medikamente in der Regel noch weiter eingenommen werden, was den Erkrankten oft schwer fällt, denn Antidepressiva haben zum Teil sehr belastende Nebenwirkungen: Mundtrockenheit, Verstopfung, Schweißausbrüche, Gewichtszunahme, sexuelle Lustlosigkeit, Müdigkeit.
    Häufig zum Einsatz kommen auch sogenannte Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Sie machen rund 40 Prozent aller Verordnungen aus. Sie sorgen dafür, dass im Gehirn mehr von dem Botenstoff Serotonin vorhanden ist, denn ein Mangel an Serotonin kann depressive Symptome hervorrufen. Die Präparate dieser erst seit den 1980er Jahren auf dem Markt befindlichen Antidepressiva-Gruppe wurden mit großem Enthusiasmus gefeiert. Sie galten als »Glücksmedikamente«, die ohne Nebenwirkungen die Stimmung aufhellen. In den USA gab es einen regelrechten Run auf diese SSRI-Produkte. Vor allem ein unter dem Namen »Prozac« gehandeltes Medikament (in Deutschland heißt es »Fluctin«) machte Furore. Inzwischen aber ist der Hype abgeklungen. Studien belegen, dass die SSRIs den klassischen Antidepressiva nicht überlegen sind.
    Überhaupt sind Zweifel an der Wirkung der Antidepressiva gestiegen. Für viele Ärzte sind die modernen Antidepressiva zwar die Behandlungsmethode der Wahl: Zwischen 1993 und 2006 haben sich die Verordnungen von Antidepressiva mehr als verdreifacht, von 2006 auf 2007 gab es einen weiteren Anstieg um 12 | 225 | Prozent. Pro Tag werden in Deutschland allein für Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen in der ambulanten Versorgung über zwei Millionen Tagesdosen Antidepressiva verordnet. Die Psychoanalytikerin Marianne Leuzinger-Bohleber stellt die Wirkung der Psychopharmaka nicht grundsätzlich infrage, ist aber skeptisch: »Die neuen Antidepressiva sind oft ein Segen. Allerdings reichen sie für einen seelischen Gesundungsprozess meist nicht aus. Das NIMH, das National Institute of Mental Health, hat festgestellt: 20 bis 30 Prozent der Depressionen reagieren nicht auf die Behandlung mit Medikamenten. Und die Rückfallquoten sind enorm hoch: Ein Drittel der Patienten, die eine solche Behandlung bekommen, erleidet innerhalb eines Jahres einen Rückfall, 75 Prozent innerhalb von fünf Jahren. Das heißt, dass eine rein pharmakologische Behandlung – die durchaus ihre Berechtigung als Krisenintervention hat, vor allem bei Suizidalität – den betroffenen Menschen nicht wirklich hilft. Vor allem dann nicht, wenn sie unter einer schweren chronischen Depression leiden.«
    Auch der im Jahr 2005 verstorbene Berner Psychologieprofessor Klaus Grawe warnte eindringlich vor einer ausschließlichen Behandlung mit Psychopharmaka: Er hielt dies für »streng genommen unverantwortlich«. Denn diese Medikamente lindern zwar anfangs die Symptome, sie heilen aber nicht, wie die hohen Rückfallquoten zeigen. »Es stellte sich heraus, dass Antidepressiva die

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