Wer bin ich ohne dich
also nicht alleine. Umgekehrt haben Beziehungskonflikte und Schwierigkeiten, Rollenerwartungen zu entsprechen, einen entscheidenden Einfluss auf den psychischen Zustand eines Menschen. So entstehen negative Rückkoppelungen zwischen depressivem Verhalten und sozialen Interaktionen«.
Interpersonelle Psychotherapeuten interessieren sich daher für die aktuellen Lebensbedingungen eines Klienten und fragen da | 238 | nach, in welchem Zusammenhang sie mit der depressiven Erkrankung stehen könnten. Gibt es Konflikte in der Partnerschaft? Hat sich durch die Geburt eines Kindes die Beziehung verändert? Muss ein schmerzlicher Verlust bewältigt werden (Trennung, Scheidung, Tod)? Ist die Depression eventuell durch die Betreuung eines pflegebedürftigen Angehörigen hervorgerufen worden? Die therapeutische Arbeit konzentriert sich auf die Gegenwart, die Ereignisse in der frühen Kindheit werden nicht thematisiert. Es geht darum, die aktuellen Beziehungsprobleme zu identifizieren, sie emotional zu bearbeiten und neue soziale Fertigkeiten im Umgang mit den wichtigen Menschen im Leben zu entwickeln. Weil Partnerschaften und eine gute Beziehungsqualität für Frauen von ganz besonderer Bedeutung sind, glauben Experten, dass die Interpersonelle Therapie gerade für die weibliche Depression eine geeignete Behandlung darstellt. Wenn sich die Beziehungsqualität verbessert und die depressiv erkrankte Frau das Gefühl hat, wieder mehr Kontrolle in ihren Beziehungen zu wichtigen Menschen in ihrem Leben zu haben, sollte sich die depressive Symptomatik verringern.
Die Psychologin Elisabeth Schramm hat in einer eigenen Studie zwei Patientengruppen verglichen: Eine bekam in den fünf Wochen des Klinikaufenthalts eine Standardbehandlung, eine zweite erhielt zusätzlich noch mehrmals wöchentlich eine Psychotherapie. Das Ergebnis des Vergleichs war eindeutig: Jene Patienten, die mit dem Verfahren der Interpersonellen Psychotherapie behandelt wurden, waren am Ende der Behandlung und auch noch fünf Jahre nach der Entlassung deutlich weniger depressiv als die Vergleichsgruppe.
Psychoanalyse: Die Dysthymie, also jene Depressionsform, an der vor allem Frauen erkranken, entwickelt sich in vielen Fällen zu einer chronischen Krankheit. Das heißt, sie kommt immer wie | 239 | der oder beeinflusst das Leben der Betroffenen viele Monate oder gar Jahre. Bei solchen chronischen Depressionen sind oftmals kurzfristige Behandlungen wie die bisher genannten nicht ausreichend. Sie mögen für den Moment Erleichterung bringen, doch ob sie langfristig Depressionen lindern helfen, konnte bislang von der Therapiewirkungsforschung nicht nachgewiesen werden. Chronischen Depressionen ist nur mit einer langfristigen Behandlung beizukommen, wie Ergebnisse von Langzeitstudien belegen. »Für viele ersterkrankte depressive Patienten können Kurztherapien eine wirkliche Hilfe sein. Chronisch Depressive aber profitieren von Kurztherapien nicht und finden sich oft resigniert mit ihrem Zustand ab. Solche Leidenswege könnten diesen Patienten erspart werden, wenn sie rechtzeitig eine psychoanalytische Langzeittherapie bekämen«, meint Marianne Leuzinger-Bohleber. Sie verweist auf eine große Studie, welche die Deutsche Psychoanalytische Vereinigung mit 401 psychisch schwer depressiv Erkrankten durchgeführt hat. Eine große Gruppe dieser Patienten litt schon jahrelang unter Depressionen, und viele hatten bereits erfolglose Kurzzeittherapien hinter sich. Über 6,5 Jahre wurden diese Personen nun psychoanalytisch behandelt. In dieser Studie kamen verschiedene Methoden zum Einsatz: Verglichen wurden zum Beispiel objektive Daten wie Arbeitsfehltage und Krankenhausaufenthalte vor und nach der Behandlung, zudem wurden Klienten und Therapeuten ausführlich befragt. Experten, die keiner bestimmten Schule angehörten, beurteilten dann den Behandlungserfolg. Das Ergebnis: Über 80 Prozent der ehemaligen Patienten hatten weniger depressive Symptome und waren deutlich zufriedener mit ihrem Leben. Ihre Arbeits- und Beziehungsfähigkeit hatte zugenommen, und ihre körperliche Gesundheit war stabiler. Die Arbeitsfehltage und die Krankenhaustage waren ebenfalls gesunken.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch andere Studien, zum | 240 | Beispiel eine Therapiestudie in Stockholm. Dort wurden mehr als 700 Patienten untersucht, die entweder vier- oder fünfmal pro Woche psychoanalytisch behandelt wurden oder eine psychodynamische Therapie mit nur einer Sitzung pro Woche erhielten. Die
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