Wer bist du, schöne Juno
Schutz in der Herberge gesucht hatten, niemand war, der ihn oder die schöne Juno erkennen würde. Falls ihre Anwesenheit je bekannt wurde, bestand keine Möglichkeit mehr, daß ihre Eskapade als harmlos betrachtet wurde.
Der Lärm ließ nach und wurde zu beständigem Gesumm. Fast gleichzeitig erschien der Wirt und befriedigte die Neugier der Herrschaften.
„Entschuldigen Sie, Mylord, aber mir scheint, heute ist ein Tag der Unfälle. Die Nachtkutsche nach Plymouth hat ganz in der Nähe ein Rad verloren. Der Stellmacher sagt, es könne nicht bis morgen früh gerichtet werden. Deshalb müssen wir alle Passagiere bei uns unterbringen. Ich habe Sie in unserem großen Schlafzimmer untergebracht, wenn es Ihnen und Ihrer Ladyschaft nichts ausmacht“, fügte der Wirt hinzu und verbeugte sich vor ihr. „Da steht ein großes Bett, Mylord. Sie werden nicht enttäuscht sein. Aber wir haben mehr Leute hier als Betten. Daher dachte ich, daß Sie nichts einzuwenden haben.“
Hoffnungsvoll schaute der Wirt Seine Lordschaft an.
Martin sah ihn an und fragte sich, wie Juno diese Mitteilung aufgenommen haben mochte. Von seinem Standpunkt betrachtet, war die Sache eine verdammte Katastrophe. Wenn er jedoch auf verschiedenen Räumen bestand, würde er vermutlich am Ende damit vorlieb nehmen müssen, seinen Raum mit einem weniger angenehmen Zimmergenossen teilen zu müssen, genau der Sorte Reisender, die mit der Nachtkutsche unterwegs waren. Und bei den vielen Männern, die sich jetzt im Haus aufhielten, war es alles in allem besser, wenn Juno sicher an seiner Seite lag, selbst wenn das Ergebnis war, daß er keinen Schlaf fand.
„Also gut“, erwiderte er leichthin und hörte, daß sie scharf den Atem einsog. Er unterdrückte ein Lächeln und fuhr fort: „Unter den Umständen ist Ihr bestes Zimmer gerade gut genug für uns.“
Sichtlich erleichtert, verbeugte sich der Wirt und zog sich zurück.
Martin drehte sich um und sah Junos mißbilligenden Blick auf sich gerichtet.
„Ich versichere Ihnen, meine Liebe, sind Sie bei mir viel sicherer, als wenn Sie die Nacht allein verbringen würden.“
Darauf erfolgte keine Antwort.
Sie riß den Blick von seinem Gesicht los und richtete ihn auf die Flammen, die ein großes Scheit im Kamin umloderten. Durch die Aussicht, mit dem Earl im selben Bett nächtigen zu müssen, fühlte sie sich wie betäubt. Sie nahm an, daß sie einen Schock erlitten hatte. Zwar hatte sie die vergangene Nacht in den Armen des Earl verbracht, aber ein Dachboden war nicht dasselbe wie ein Bett. Das Abenteuer nahm eine entschieden gefährliche Wende. Nein, es war unmöglich. Sie würde sich etwas anderes ausdenken müssen.
Sie war jedoch noch damit befaßt, einen Ausweg aus der vertrackten Situation zu suchen, als sie auf Vorschlag des Earl nach oben zu ihrem Zimmer gingen, dem größten, wie der Wirt erklärt hatte.
Ein Feuer brannte im Kamin, und ein Bett, das so groß war, wie sie es sich in ihrer erhitzten Fantasie ausgemalt hatte, stand an einer Wand. Der Raum war bequem eingerichtet, und das Kerzenlicht vertuschte das Alter der verblaßten Behänge.
Martin hielt der Dame die Tür auf und folgte ihr dann.
Das Klicken des Schnappers veranlaßte Helen jäh zur Aktivität. Sie wirbelte herum und verschränkte fest die Hände.
„Sir, das ist unmöglich!“
„Martin“, sagte er lächelnd, ging an ihr vorbei zum Fenster und warf einen amüsierten Blick über die Schulter. „Sie müssen aufhören, mich zu siezen, da wir ja angeblich verheiratet sind.“
Er überprüfte das Fenster, öffnete es einen Spalt, um Luft in das Zimmer zu lassen, und rearrangierte dann die schweren Vorhänge. Danach schlenderte er zur Mitte des Raumes, blieb stehen und zog den Mantel aus. Er legte ihn auf einen Sessel und lächelte Juno an, die immer noch unschlüssig und nervös auf der Stelle stand.
„Es ist nicht unmöglich“, sagte er und winkte sie zu sich. „Kommen Sie zum Feuer und lassen Sie mich Ihnen das Kleid aufmachen. Sie können sich in die Bettdecke wickeln“, fügte er hinzu, ohne den Schrecken in Junos Augen zu beachten. „Dann sind Sie so sittsam verhüllt wie eine Nonne.“
Sie überlegte den Vorschlag. Ihre Nerven waren überreizt, ihr Verstand nicht imstande, einen Ausweg zu finden. Als der Earl ihr wieder, diesmal mit gebieterischerer Geste, zuwinkte, ging sie zögernd zu ihm.
Ihre Augen ließen erkennen, in welch innerem Aufruhr sie sich befand. Mit beruhigendem Lächeln ergriff Martin ihre Hand
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