Wer bist du, schöne Juno
und zog sie zum Kamin. Er stellte sich hinter sie und öffnete die Verschlüsse des Seidenkleides. Dabei widerstand er der Versuchung, die Teile des Kleides beiseitezuschieben und der schönen Juno mit dem Zeigefinger über den Rücken zu streichen. Er nahm an, daß sie unter dem Kleid eine seidene Chemise trug.
„Bleiben Sie einen Moment hier. Ich hole die Bettdecke.“
Die Wangen gerötet, starrte Helen in die Flammen. Bis jetzt war das Benehmen des Earl so unbedrohlich gewesen wie seine Worte. Ihre eigenen Neigungen schwächten ihr Selbstvertrauen. Sie war sich allzusehr bewußt, daß sie kurz davor stand, eine unziemliche Affäre mit einem der attraktivsten Lebemänner ganz Englands zu haben. Sie mußte ihm nur zu verstehen geben, daß ihr seine Avancen willkommen seien, und dann würde sie merken, was es war, das Roues zu solch gesuchten Liebhabern machte. Der Earl war die Versuchung in Person.
Doch der gesunde Menschenverstand blockierte Helen den Weg. Die Vernunft sagte ihr auf sehr prosaische Weise, daß sie keineswegs eine flüchtige Affäre brauche, die auf nichts anderem beruhte denn auf flüchtigem körperlichen Interesse. So etwas war nie ihr Stil gewesen. Die Bettdecke wurde ihr um die Schultern gelegt.
„Ich schaue in die andere Richtung. Ich verspreche, nicht zu blinzeln.“
Helen wagte nicht, sich zu vergewissern, ob der Earl wirklich tat, was er gesagt hatte. Eilig ließ sie das Seidenkleid zu Boden fällen, wickelte sich in die Bettdecke und steckte die Enden sicher fest. Sie stieg aus dem Kleid, bückte sich und hob es auf.
Die Bettdecke raschelte, als die schöne Juno sich bewegte, und Martin drehte sich um. Er sah sie das Kleid aufheben und bewunderte den Anblick, ehe sie sich aufrichtete.
Sie warf ihm einen unsicheren Blick zu.
Der Widerschein des Feuers vergoldete ihre Locken und warf weiches Licht auf ihre entblößten Schultern und Arme.
Entschlossen, das erwachte Verlangen zu ignorieren, sagte Martin grinsend: „Wenn Sie ins Bett gehen, drücke ich die Decke um Sie.“
Angesichts des spitzbübischen Ausdrucks in den Augen des Earl starrte Helen finster vor sich hin, ging jedoch gehorsam zum Bett.
„Wo wollen Sie schlafen?“
Im Zimmer gab es keinen Ohrensessel.
„Das Bett ist groß genug“, antwortete Martin mit breiterem Grinsen, „ganz, wie der Wirt gesagt hat.“
Er knöpfte die Weste auf und begann das Hemd zu öffnen.
Helen blieb stehen, starrte den Earl an und fragte: „Was machen Sie da?“
„Ich mache mich zum Schlafengehen fertig“, sagte Martin mit gequälter Miene, da seine Selbstbeherrschung sehr in Anspruch genommen war. „Ich will verdammt sein, wenn ich noch eine Nacht in diesen Sachen verbringen muß. Um Gottes willen, Madam!“ fügte er angesichts des Ausdruckes blanken Entsetzens im Gesicht der schönen Juno brummig hinzu. „Gehen Sie zu Bett und drehen Sie mir den Rücken zu. Sie wissen, daß Sie nichts zu befürchten haben.“
Er hatte etwas behauptet, von dem er selbst gar nicht überzeugt war. Je länger sie dastand, die Augen weit geöffnet, desto mehr brachte sie sich in Gefahr.
Sie blinzelte und kletterte dann rasch ins Bett, legte sich auf die Seite und zog sich die Bettdecke über die Ohren.
Martin stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
Unfähig, die aufgeregten Nerven zu beruhigen, lag Helen da und starrte die Wand an. Die Kerzen wurden gelöscht, doch das Feuer verbreitete genügend Licht, um sehen zu können. Sie hörte, daß der Earl die Stiefel auszog, die Tür öffnete und die Stiefel in den Flur stellte.
Dann hörte sie, daß er sich entkleidete. Es wäre ihr lieber gewesen, sie hätte die Geräusche nicht gehört, doch ihre überreizten Nerven spielten ihr einen Streich.
Dann sackte die Matratze neben ihr ein. Mit einem leisen Quietscher Hämmerte sie sich an die Bettdecke, um nicht gegen den Earl zu rutschen.
Trotz seiner Seelenqualen lachte er. Diese Schwierigkeit hatte er nicht vorausgesehen.
„Keine Angst! Sie haben mein Wort als Ehrenmann, daß ich die Situation nicht ausnutzen werde. Sie müssen auch nicht befürchten, daß ich mich im Schlaf bewege. Ich schlafe tief und fest. Ich nehme an, das hat mit meinen Erfahrungen bei der Armee zu tun. Man schlief, wann man konnte. im allgemeinen in weitaus weniger komfortabler Umgebung.“
„Wie lange waren Sie im Krieg?“
Die durch die Bettdecke gedämpfte Frage erinnerte Martin an die bissige Bemerkung einer hochstehenden Dame, es gäbe nichts
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