Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
mir ständig Sorgen.“
„Doch nicht etwa um mich?“ fragte er mit unbewegtem Gesicht.
„Ja, um Sie, Herr Adlam“, sagte sie und nickte ernsthaft. „Ich möchte Ihnen so gerne helfen, aber ich weiß nicht, wie. Si e sind es nicht, der all diese schlimmen Dinge heraufbeschworen hat. Es ist jemand anderes, jemand, der versucht, Ihnen etwas anzutun...“
„Kümmere dich um deine Arbeit, das ist mir lieber“, unterbrach er sie ungewohnt schroff.
„Aber ich möchte doch nur...“
Er hörte ihr nicht mehr zu, sondern schob sie zur Seite und ging die Treppe hinauf zur Tür.
„Herr Adlam, ich kann aber doch nicht...“
„Denk nicht mehr darüber nach“, riet er ihr, bevor er im Haus verschwand.
Josefine folgte ihm auf dem Fuß. Sie war verunsichert über die Härte in seiner Stimme und dem abweisenden, beinah wütenden Ausdruck in seinem Gesicht. Deshalb musste sie all ihren Mut zusammenreißen, um noch etwas zu sagen:
„Ich kann nicht anders, als darüber nachzudenken. Ich will nicht, dass noch mehr passiert.“
Er wandte sich wieder zu ihr um, jedoch konnte sie im stockdunklen Hausflur nur noch seine Umrisse erkennen.
„Josefine, kein Wort mehr . Ich will nicht mit dir darüber diskutieren. Wenn du mit der Situation nicht klar kommst, dann musst du gehen.“
Der Tonfall, in dem er diese letzten Worte sagte, war derartig düster und böse, dass Josefine wie erstarrt stehenblieb und kein Wort mehr herausbrachte. Robert Adlam drehte ihr endgültig den Rücken zu und ging in der Dunkelheit die Treppe in den ersten Stock hinauf.
Eine solche Abfuhr in einem derartig wütenden Tonfall hatte sie noch nie von ihm bekommen, ganz bestimmt nicht Und dabei hatte sie nur ihre Sorge ausdrücken wollen. Denn sie hatte wirklich Angst um ihn.
------- KONRAD VON MEINERT --
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Die junge Frau hatte auffallend schöne dunkelblaue Augen, aus denen eine erstaunliche Weltoffenheit und Intelligenz sprach. Konrad führte sie gerne an seiner Seite, sie war ein angenehmer Gesprächspartner und eine Zierde für den Mann, in dessen Begleitung sie sich befand.
Die jüngere Schwester, Anna, war vielleicht auf dem Weg, einmal eine ähnlich interessante Frau zu werden, doch im Moment war sie eine seltsame Mischung aus Kind und Erwachsene, die sich mal mit schlauen Kommentaren in das Gespräch einschaltete und mal mit leuchtenden Augen voran stürmte, um irgendwo eine Zuckerstange zu ergattern.
Auch die begleitende Tante erwies sich als keine sonderliche Störung. Sie war etwa vierzig Jahre alt und keineswegs eine dieser alternden, verbitterten Jungfrauen, die Konrad nur allzu gut bekannt waren. Sie klebte auch nicht ständig an Dianes Seite, sondern kümmerte sich hauptsächlich um die jüngere der beiden Schwestern, denn diese war in ihrer Begeisterung kaum zu halten und sprang von einer Attraktion zur nächsten.
Anna und Diane trugen sehr einfach geschnittene Kleider, die die Aufmerksamkeit auf die zierliche Eleganz ihrer Körper lenkten, ohne dabei anstößig zu wirken. Anna trug die Haare sogar, wie ein Kind, offen. In dichten, honigblonden Locken fielen sie ihr über die Schultern, nur an den Seiten von zwei Spangen gehalten.
„Wie gefällt Ihnen Ihr erster Jahrmarktsbesuch bis hierher?“ erkundigte Konrad sich bei seiner charmanten Begleiterin, während Anna – mit Tante Agnes dicht auf ihren Fersen schon wieder einige Meter vor ihnen herlief, weil sie einen Jongleur inmitten einer Menschentraube entdeckt hatte.
„Es ist so, wie ich es mir vorgestellt habe: laut, bunt und voller fröhlicher Gesichter. Wie könnte mir das nicht gefallen?“ erwiderte sie mit einem Lächeln auf den Lippen.
„Oh, sehen Sie mal!“ Konrad deutete in Richtung des Jongleurs, wo Anna gerade nach Aufforderung des Schaustellers in den von lachenden Menschen gebildeten Kreis getreten war, um bei der nächsten Nummer zu assistieren.
Diane wandte den Kopf in die ihr gezeigte Richtung und lachte. „Das sieht ihr ähnlich, meiner Anna. Zuschauen reicht ihr nicht, sie möchte immer überall mitmachen!“
Aus ihrer Stimme klang ein gewisser Stolz, fast wie der einer Mutter. Konrad warf einen Blick auf ihr anmutiges Profil mit der hohen Stirn, der zierlichen Nase und den weichen Wangen. Kaum zu glauben, was diese so zerbrechlich wirkende Frau in ihrem Leben schon durchgemacht hatte: von der hysterischen Mutter geschlagen und eingesperrt und an der Sorge um die kleine Schwester und später den kränklichen jüngsten Bruder gewachsen
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