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Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
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überwältigen zu lassen. Hat man sie einmal gerufen, sind sie wie heißes Feuer, und wenn es einmal lodert, dann kann man es kaum noch ersticken.
    Es wäre nichts leichter gewesen, als den Rothans an Ort und Stelle, direkt vor meiner Haustür, zu töten und es hat meine gesamte Selbstbeherrschung gefordert, dies nicht zu tun.
    Es ist mir wichtig, zu sagen, dass es mir trotz der drohenden Eskalation unter Einsatz meiner Willenskraft gelungen ist, nur genau so viel Schaden anzurichten, wie ich es selbst wollte. In dieser Situation habe ich die Oberhand behalten und
    niedergerungen, was mich beherrschen wollte. Ich habe die Hoffnung, dass mir dieses auch in Zukunft gelingen wird. Doch eine Garantie dafür gibt es nicht.
    Sollte ich die Beherrschung über die mir wieder neu zur Verfügung stehenden Kräfte verlieren, wäre dies mein Weg zurück, geradewegs in die Dunkelheit.
    Am Tag nach meiner Konfrontation mit dem Rothans stand Pfarrer Brechts mit einer furchtbare Nachrichten ankündigenden Unglücksmiene vor meiner Tür. Ich hatte nicht das geringste Verlangen, mich auf ein Gespräch mit diesem Mann einzulassen, der in seiner immens erscheinenden Heiligkeit stets besorgt und bemüht um die Schäfchen seiner Gemeinde ist. Mein inneres Widerstreben, mit ihm zu sprechen, zeigte ich nach außen hin recht deutlich, jedoch redete der Pfarrer schon an der Tür derart eindringlich auf mich ein, dass ich ihn am Ende doch ins Empfangszimmer bat. Gleichwohl forderte ich ihn auf, sich kurz zu fassen.
    Um die Erfüllung dieses Wunsches bemühte er sich dann auch einigermaßen.
    Zuerst berichtete er mir mit tödlich traurigem Gesicht, dass in seiner Gemeinde der beinah einstimmige Entschluss gefallen sei, den neuen Altar nicht in der Kirche aufzustellen und die Stiftung abzulehnen.
    „Entschuldigen Sie, Herr Adlam, aber die schlimmen Umstände...“, deklamierte er. „Und gerade gestern, an dem Tag, an dem die Gemeinde zur Abstimmung über den Altar zusammenkommen sollte, hat eine furchtbare Neuigkeit die Runde gemacht: Der Bauer Rothans soll von mehreren Männern vor Ihrer Haustür halb tot geprügelt worden sein, Herr Adlam! Ich konnte diese Nachricht kaum fassen und habe mich sogleich zum Rothans begeben, der in einem furchtbaren Zustand in seiner Kammer lag und aussah, wie ein Abbild des Todes!“
    Ich hob erstaunt die Brauen. „Von mehreren Männern verprügelt?“
    „Er hat mir gegenüber die Geschichte noch einmal wiederholt, obwohl er kaum sprechen konnte“, beharrte Pfarrer Brechts weiter auf diese Variante der Geschehnisse. „Wissen Sie: Er beschuldigt Sie, diese Schläger bezahlt zu haben, um ihn von seiner Ehefrau fernzuhalten.“
    „Hat er Ihnen auch erzählt, warum seine Ehefrau hier, bei mir, ist?“ erkundigte ich mich.
    „Herr Adlam, es tut mir leid, aber das ganze Dorf weiß inzwischen darüber Bescheid“, teilte er mir in vorwurfsvollem Ton mit. Seine Augen hinter der runden, kleinen Brille verengten sich dabei und ich konnte deutlich in ihnen lesen, dass er nun endgültig, nach allem Zaudern und Zweifeln, den Stab über mich gebrochen hatte. „Bauer Rothans ist über den Ehebruch seiner jungen Frau sehr gekränkt. – Und SIE, Herr Adlam, sollten vielleicht einmal darüber nachdenken, welch schwere Sünden Sie begangen haben! Ich empfehle Ihnen dringend, Gott um Verzeihung zu bitten. Was auch immer Ihnen sonst noch auf der Seele lastet.“
    Mich wunderte in dem Moment sehr, wo der Pfarrer überhaupt noch den Mut hergenommen hatte, ganz allein in mein Haus zu kommen und mir all seine negativen Neuigkeiten vor die Füße zu werfen: Er sprach in seinen eigenen Augen schließlich mit einem Mörder, einem Ehebrecher und jemanden, der zusätzlich zu dem allem nicht davor zurückschreckte, eine Horde Schläger mit seinem Geld anzuheuern. Vielleicht fühlte Pfarrer Brechts sich von den Engeln des Himmels persönlich beschützt, denn die selbstgerechte, gottesliebende Aura, die ihn heute umgab, war beinah greifbar.
    Ich spürte deutlich, wie es in mir zu kochen begann.
    Natürlich musste ich die aufkommende Wut in Zaum halten, denn heftige Gefühle würden die Sache nur noch schlimmer machen, als sie ohnehin schon war.
    „Pfarrer, ich wünschte mir, meine Seele wäre so rein, wie die Ihre“, erwiderte ich ihm spöttisch, obwohl alle guten Argumente dafür sprachen, mich besser zurückzuhalten.
    Der Pfarrer runzelte verärgert die Stirn. Trotz seiner Engstirnigkeit schien er die Ironie in meiner Stimme nicht

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