Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
an dich zu verschwenden. Dein Unvermögen wird dein Todesurteil sein.“
Robert nickte ohne zu zögern. „Ich nehme diese Bedingung an.“
***
Viele der Fackeln waren gelöscht worden und das Licht, das die wenigen verbliebenen spendeten, war spärlich. Ihre Flammen färbten eine runde Insel mitten im Wald tiefrot: Baumstämme, tiefhängende Äste und der moosbewachsene Erdboden schimmerten im roten Licht. Das Gefühl war ein anderes, das hatte Konrad schon von Anfang an bemerkt. Sobald Robert Adlam seine Stimme erhoben hatte, um die unsichtbaren Mächte zu beschwören, die sonst immer nur der Priester herbeirief, war etwas Sonderbares geschehen, was sich nicht in Worte fassen ließ. Konrad spürte überall um sich herum, dass etwas anders war: der Wald um sie herum schien sich zu regen, wie ein selbständiges, lebendiges Wesen. Zwischen dem Blätterdach der Bäume war das Funkeln keines einzigen Sternes mehr zu erkennen, und schon bald waren Konrads fünf Sinne wie benebelt. Die Konzentration auf das, was er tat, was er tun musste , fiel ihm äußerst schwer. Viel schwerer, als sonst.
Der Priester stand an Roberts anderer Seite und auch er war in die Zeremonie versunken, steuerte augenscheinlich all seine Kräfte bei. Vielleicht war dies genau der Knackpunkt, kam es Konrad in den Sinn: Sie waren zu dritt , und sie arbeiteten alle zusammen. Zweifellos hatte sich heute Nacht eine Person zu ihnen gesellt, die die Gruppe ungemein verstärkte. So, dass es bis ins Innerste hinein spürbar war.
Dieser Macht konnte man sich nicht entziehen.
Als zwei der Männer den Jungen in die Mitte brachten, waren ihre vereinten Stimmen zu einem rhythmischen Trommelfeuer angeschwollen: Die Nacht selbst schien angefüllt von ihrem Gesang, der sich wie im Fieberwahn steigerte und jeden vernünftigen Gedanken mit sich fortriss. Ein Strom von Empfindungen floss durch Konrads Leib, als sie Schulter an Schulter standen und ihre Körper wie ein einziger pulsierender Energieblock zusammenwirkten. Sein Mund bewegte sich selbständig und die Worte sprudelten daraus hervor, als seien sie zum Leben erwacht. Es gab kein Entrinnen aus diesem Strudel von Energie. Der Priester hatte ihn zur Teilnahme an dieser Zeremonie zwingen müssen, aber jetzt gab es keinen auch noch so winzigen Moment mehr, in dem er an einen Abbruch dachte. Erst, als ihre gegenseitige Berührung aufgelöst wurde, indem Robert Adlam aus ihrer Mitte trat, kam er wieder einigermaßen zu Sinnen. Doch die Faszination verließ ihn nicht, denn was er spürte, war so unglaublich stark.
Konrad sah, wie die beiden Helfer den nackten Jungen auf den Opferstein hoben. Das Kind schien apathisch, zeigte keinerlei Gegenwehr. Die Männer banden Arme und Beine des Jungen fest und zogen die Seile durch vier steinerne Ösen an den Seiten des Altares. Dann blieben sie an den Schmalseiten des Opfersteins stehen, bereit, jederzeit Hand anzulegen. Robert ging um den Steinaltar herum, wie der Priester ihn angewiesen hatte. Er sollte ihnen gegenüber stehen, wenn er die Opferung durchführte. Ihr Meister wollte ihn dabei beobachten können.
Konrad hatte Mühe, sein Blickfeld wieder klar zu bekommen und den Nebel der Trance fort zu wischen. Er blinzelte und fuhr sich mit der rechten Hand durch die Augen. Dabei fiel ihm auf, dass auch seine Finger ganz taub waren. Er kannte die tranceartigen Zustände, die während der Rituale häufig auftraten, doch heute war alles noch viel intensiver, als je zuvor. Irgendetwas schien seinen Körper leer zu saugen. Die blanke Klinge in Roberts Hand erkannte er als das Messer des Priesters. Der Lichtschein des Feuers verwandelte das spiegelnde Metall in eine rotglühende Flammenzunge.
In Robert Adlams Gesicht war keine Gefühl abzulesen. Dass er noch immer weder das Gewand der Schwarzen Brüder, noch die Kapuze trug, war einer der vielen Zugeständnisse gewesen, die ihm der Priester unverständlicherweise gemacht hatte. In diesem Fall hatte die fehlende Verhüllung des Kopfes jedoch auch seine gute Seite: Jeder Anflug von moralischen Skrupeln oder gar Mitleid würde in Roberts Miene erkennbar sein und ihn als für ihre Zwecke untauglich entlarven.
Robert führte die Klinge ohne Zögern und mit erstaunlicher Präzision, betrachtete man die Tatsache, dass Konrads eigene Hände blutleer und taub waren und er mit ihnen gerade noch unartikuliert seine streikenden Augen reiben konnte. Er ritzte nur millimetertief ins Fleisch des Jungen, und die blutigen Zeichen die
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