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Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
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dass sie etwas dagegen machen konnte. Doch der fremde Mann hatte jetzt ihre beiden Arme ergriffen, der blutige Stein kullerte das Ufer hinab.
    Josefine wurde an den Armen zum Wasser gezerrt. Sie konnte sich nicht auf den Beinen halten, stolperte, fiel auf die Knie. Doch der Mann beachtete dies nicht. Er schleifte sie hinter sich her über das mit Steinen übersäte Uferbett. Josefine dachte nicht ans Sterben, ihr Kopf war außer einem dumpfen, lauten Pochen ganz leer. Auch spürte sie nicht die Wunden, die spitze Ufersteine in ihre Beine rissen. Ihr Bewusstsein schwebte irgendwo im Nichts, losgelöst von ihrem Körper.
    Kam der erstickte, wimmernde Laut aus ihrem Mund, kurz, bevor ihr Kopf unter Wasser gedrückt wurde?
    ------- DIANE ------
    Sie musste nur genau das tun, was sie von Kindheit an gelernt hatte: Ihre echten Gefühle verbergen und als wahr vortäuschen, was eine Lüge war. Dass es gewisse Tricks gab, dieses Talent noch zu verfeinern, hatte sie von Konrad gelernt. Um eine glaubhafte Illusion zu erzeugen, musste es ihr gelingen, auch ihr innerstes Selbst zu täuschen. Sie musste im Inneren wirklich empfinden, was sie nach außen zeigte. Und im richtigen Moment musste sie die Illusion zerstören.
    Auch sonst hatte der scheinbar so brave Textilhändler adliger Herkunft einiges Überraschendes zu bieten: Er wusste genau, wie man mit einer Schusswaffe umgeht, die Patronen einlegt, den Hahn spannt. Wie man die Waffe festhält, sodass man sich beim Drücken des Abzugs durch den Rückstoß nicht selbst verletzt. Sie war durch ihn natürlich nicht in der Kürze der Zeit zur Meisterschützin geworden. Jedoch beabsichtigte sie auch nicht, ihr Ziel aus der Entfernung anzuvisieren.
    Die Tasche, die sie bei sich trug, beinhaltete eine gute Flasche roten Weins aus dem Weinkeller ihres Vaters und ein besonderes Geschenk. Die Waffe trug sie am Körper, unter ihrem weiten Rock verborgen.
    Wenn Robert auch diesmal nicht zu Hause wäre, würde sie so lange auf ihn warten, bis er käme. Das Pferd hatte sie sich wieder einmal, unter einem Vorwand, von Anna geliehen. Es besaß einfach schnellere Beine – und Schnelligkeit würde sehr bald vonnöten sein, wenn sie alles hinter sich gebracht hatte.
    Anna hatte natürlich keine Ahnung, dass ihre große Schwester nie wieder nach Hause käme. Und Diane hatte große Mühe, Annas Gesicht aus ihrem Kopf zu verbannen. Die Verabschiedung war kurz gewesen, bewusst beiläufig. Der Abschiedsschmerz war eine schwelende Wunde in ihrer Seele. Sie ließ einen nach dem anderen der von ihr geliebten Menschen hinter sich. Es war wie ein Fluch, der ihr anhaftete.
    Doch während des langen Ritts nach Scarheim spürte sie den Schmerz mit jedem Meter, den ihr Pferd zurücklegte, weniger. Ihr gelang es, allen Kummer in den hintersten Winkel ihres Selbst zu verbannen und alle Türen dorthin zu verschließen. Dies war keinesfalls ein Zustand von Dauer. Irgendwann würden die Dämme wieder brechen und alles würde aus ihr herausströmen, was sich angesammelt hatte.
    Doch in den nächsten Stunden war keine Zeit für ihre wahren Gefühle, sie musste sich mit ihrer gesamten Seele auf das geplante Schauspiel einlassen. Diane band die Zügel des Pferdes am Gartenzaun fest und warf einen kurzen Blick zum Haus hinüber: Weiß und erhaben lag es inmitten eines blühenden Gartens, scheinbar verlassen. Entschlossen öffnete Diane das nur angelehnte Gartentor und schlug den Weg zur Haustür ein.
    Auf halbem Weg dorthin sah sie, dass die Haustür sich öffnete. Ihre Schritte verlangsamten sich kaum merklich, als Robert auf dem Treppenpodest erschien. Auch er erblickte sie sofort, sein Gesicht jedoch spiegelte wie gewohnt keine Überraschung wider. Er blieb auf dem Treppenabsatz stehen und erwartete sie. Diane beschleunigte ihre Schritte wieder, die Miene bewusst ernst. Sie ging die wenigen Stufen hinauf und blieb direkt vor Robert stehen.
    „Gut, dass ich dich jetzt endlich antreffe“, sagte sie zur Begrüßung und nun erst schenkte sie ihm ein kleines, zurückhaltendes Lächeln. Sie fühlte deutlich das bekannte Kribbeln auf ihrer Haut, als ihre Blicke sich begegneten: Wie fest und fordernd war sein Griff gewesen, wie enorm die Hitze, die er in ihr entfachen konnte.
    Die Waffe war völlig aus ihrem Kopf verbannt, Bilder der Erinnerung spulten sich statt dessen vor ihren Augen ab. Einmal noch in diesen Armen liegen...
    „Warum bist du hier?“ fragte er sie kalt, doch unter der Fassade konnte Diane ein Stückchen

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