Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
musste.
„Guten Morgen“, sagte Diane. „Hast du endlich ausgeschlafen?“
Er konnte noch immer nicht antworten und versuchte es diesmal auch erst gar nicht. Was auch immer in Diane gefahren war, er hielt ihr zugute, dass ihr anscheinend nicht klar war, was sie ihm da gegeben hatte. Er wusste nicht, wie lange sein Körper keinen Sauerstoff bekommen hatte. Jedenfalls war es sicher lange genug gewesen, um dem Gehirn Schaden zuzufügen. Wenn er jetzt mit einem blauen Auge davonkam, grenzte das schon an ein Wunder.
„Noch ein Glas Wein?“ fragte Diane hämisch.
Etwas mühsam hob er den Kopf an, weg von der stützenden Stuhllehne. Er spürte das Leben langsam in seinen Körper zurückkehren. Doch der schneidende Schmerz in seiner Brust verebbte nicht.
„Robert“, hörte er Katharinas besorgte Stimme an seiner Seite, „wie geht es dir?“
Er holte so tief Luft, wie er konnte, während seine Lunge von tausend Messerstichen traktiert wurde. „Hervorragend“, brachte er mühevoll heraus.
„Sehr gut“, erwiderte Diane. „Denn es wird langsam Zeit, dass wir Klartext reden.“
Sie machte zwei Schritte zur Seite, in Katharinas Richtung, und verschwand so aus Roberts Blickfeld. Sein Kopf war so schwer, als habe man ihn mit Blei ausgegossen, doch er folgte Diane trotzdem mit seinem Blick. Als er den Kopf ganz zur Seite drehte, konnte er Katharina sehen. Sie saß – ohne Fesseln
– auf einem Stuhl, und ihr gerade einigermaßen verheiltes Gesicht war mit frischem Blut verschmiert. Das machte ihn wütend – eine hilflose Wut, denn für den Augenblick war er völlig schachmatt gesetzt.
Diane hielt Katharina die freie Hand hin. „Gib mir die Kette“, forderte sie.
In Katharinas Gesicht zeichnete sich eine Mischung aus Überraschung und Verstörtheit ab. Doch gehorsam griff sie sich mit beiden Händen in den Nacken, um den Verschluss zu öffnen und Diane das Silberkettchen mit dem kleinen Kreuzanhänger zu reichen.
Diane entfernte sich wieder rückwärts von Katharina, wohl, um beide, sie und Robert, besser im Blickfeld zu haben. Sie hielt Robert das Kettchen hin. Ihre Miene war versteinert. Die tiefblauen Augen hatten ihren warmen Glanz völlig verloren.
„Woher hast du diese Kette?“ fragte Diane ihn.
Er hatte das Schmuckstück ein- oder zweimal um Katharinas Hals gesehen. Woher es kam, war ihm nicht bekannt. Und erst recht wusste er nicht, warum Diane ihm diese Frage stellte.
Weil das Sprechen eine Qual war, schüttelte er nur leicht den Kopf.
Katharina antwortete an seiner Stelle: „Ich war immer davon überzeugt, sie käme von meinem Bruder. Allerdings hat er sie mir nicht selbst gegeben.“
„Wer hat sie dir denn gegeben?“ wollte Diane wissen und ließ die Silberkette an ihrem ausgestreckten Zeigefinger baumeln, während sich das Kreuz blitzend hin und her drehte.
„Josefine – das Zimmermädchen“, antwortete Katharina. „Und Josefine sagte, es sei ein Geschenk von meinem Bruder.“
„Woher“, fragte Diane, „soll ein armer Bauer so eine Kette haben?“
„Sie ist... sie ist nicht teuer.“ Katharina war verunsichert.
„Nicht wirklich“, meinte Diane, während sie Katharina fixierte. „Das Kreuz ist ein Einzelstück. Es ist nicht aufwendig gearbeitet, aber einen bäuerlichen Geldbeutel dürfte es reichlich strapazieren.“
Sie wandte sich wieder Robert zu, doch die Waffe blieb die ganze Zeit über auf Katharina gerichtet. „Ist die Kette ein Geschenk von dir?“ fragte sie ihn.
Er bewegte abermals leicht den Kopf hin und her.
„Natürlich nicht“, spottete Diane. „Das dachte ich mir schon.“
Es war nur ein kurzer Handgriff – und ein leises Klicken. Katharina gab einen entsetzten Laut von sich, als Diane die Waffe entsicherte. Der Lauf war auf Katharinas Gesicht gerichtet – aus der geringen Entfernung für den schlechtesten Schützen ein sicherer Treffer. Und keine Chance auf ein Überleben. Dianes Stimme wurde lauter, aggressiver: „Ich will die Wahrheit wissen, Robert! Aus deinem Mund!“
„Was... willst du... hören?“ stellte er stockend die Gegenfrage.
„Keine Ausflüchte mehr, nur einen klaren Satz: Woher hast du diese Kette?“ forderte sie mit zornig blitzenden Augen. Ein kurzer Seitenblick auf die schreckensbleiche Katharina betonte noch einmal deutlich, wen es treffen würde, wenn nicht die richtige Antwort folgte.
Er füllte seine protestierende Lunge mit Luft. Nur eine geringe Besserung der Schmerzen war festzustellen. Aber seine Kräfte
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