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Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
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ununterbrochenen Echos. Sie waren wie ein Sturmfeuer in seinem Kopf, sie gaben den harten Takt seiner Schritte an. Vorwärts, einfach nur vorwärts. Geradewegs ins Verderben – oder doch zum begehrten Ziel.
    Und der Wächter zog sich zurück, gab ihm den Durchgang frei.
    Robert hatte kaum damit gerechnet, dass ihm der Weg freigemacht werden würde. Das Zurückweichen des Gegners kam für ihn unerwartet. Es signalisierte ihm, dass er sich schlussendlich doch durchgesetzt hatte.
Seine Autorität wurde akzeptiert.
    Der Sieg hätte knapper nicht sein können.
    Die schwere Eichenholztür mit ihrem starken Schloss war im Grunde kein Hindernis für ihn. Das Öffnen von Schlössern hatte vor vielen Jahren zur ersten Lektion gehört, die er von seinem Meister erhalten hatte. Denn diese Fähigkeit seiner Schüler - aber auch der Helfer - zu fördern, war für den Priester eine äußerst nützliche und lohnenswerte Sache. So hatten seine Leute die Möglichkeiten, was oder wen ihr Meister auch immer benötigte, aus verschlossenen Häusern, Ställen und auch Kirchen herauszuholen und ihm zu übergeben. Allerdings musste er diesmal einige Minuten lang vor der verschlossenen Tür verharren. Er war selbst für die Ausführung dieser eigentlichen Kleinigkeit viel zu ausgebrannt. Nach allem, was ihm heute widerfahren war, war das nur natürlich. Trotzdem ärgerte es ihn.
    So kurz vor dem Ziel eine Pause einzulegen, strapazierte seine Geduld. Jedoch blieb ihm nichts anderes übrig, denn die Erholung war dringend vonnöten und beanspruchte eine gewisse Zeit. Er warf einen Blick zurück in den Gang, der still und scheinbar leer dalag, als sei dort niemals etwas geschehen. Aber sein Gefühl verriet ihm deutlich, dass der Stollen keinesfalls verlassen war. Das immaterielle Wesen, dem er zumindest für den Augenblick seinen Willen aufgezwungen hatte, befand sich nicht weit entfernt, direkt hinter ihm.
    Robert legte seine rechte Handfläche auf das Türschloss. Seine Haut war so kalt, dass das Metall sich nicht einmal kühl anfühlte.
    Weitere Minuten des Abwartens.
    Dann gab das Schloss ein leises Klicken von sich – und die Tür war geöffnet.
    Er entzündete die Fackel neben der Tür nicht. In vollkommener Dunkelheit schritt er langsam die Regale entlang, den Blick auf die Buchrücken gerichtet. Aus der Nähe hatte er keine Mühe, die Buchstaben und Zeichen zu entziffern. Licht brauchte er nicht. Für ihn war dieser Ort das Ziel all seines Strebens – er hatte sich bis hierher durchgekämpft, ohne einen Gedanken an das Nachher zu verschwenden. Es war eine Art des Selbstbeweises gewesen. Dass er nicht nur dafür gut war, Leben in Tod zu verwandeln. Dass er stark genug war, den Barrieren des Priesters zu trotzen. Denn wenn er schon jetzt die Fallen des Priesters überwinden konnte, dann würden all die Kenntnisse, die sich in diesen Schriften verbargen, ihm dazu verhelfen, die Macht seines ehemaligen Lehrers zu übertreffen.
    Wirkliches Wissen war der Weg zur Selbstkontrolle.
    Der Wunsch, diese manchmal unberechenbare Kraft völlig zu beherrschen war übermächtig. Nie wieder würde das, was in ihm war, sich selbständig machen, so, wie es heute geschehen war. Für den Beweis, dass es ihm möglich sein würde, den Priester für alle Zeiten hinter sich zu lassen, hatte er sein Leben riskiert. Jetzt gab es keinen Grund mehr, noch vor dem letzten Schritt zu zögern.
    Robert wusste ganz genau, dass dem Priester sein Eindringen in die geheime Bibliothek nicht verborgen bleiben würde. Vielleicht wusste er bereits jetzt davon, dass seine Barrieren unbefugt durchschritten worden waren. Er konnte sogar bereits auf dem Weg hierher sein. Eine ernsthafte Auseinandersetzung war also jetzt nicht mehr zu vermeiden. Und diese würde sehr bald stattfinden – vielleicht noch heute.
    Aber verdammt: Wenn es wirklich noch heute geschähe, dann würde es ihn nicht gerade auf dem richtigen Fuß erwischen. So leer, ja, beinah ausgepumpt, wie in diesem Moment hatte er sich seit Jahren nicht mehr gefühlt. Die Versuchung, sich einfach mit dem Rücken auf den Steinboden zu legen und völlige Ruhe in sich einkehren zu lassen, war groß. Aber er konnte den
    Blick nicht von den Schriften wenden, diesen gewaltigen Schatz an Wissen.
     
    Weiter schritt er die Regale ab.
    Einige besonders alte Pergamentrollen waren in Holzkästen gelagert, die mit Textilien ausgelegt waren. Auf vielen Buchrücken waren Zeichen angebracht, die er nie zuvor gesehen hatte und deshalb

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