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Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
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das seinen gesamten Körper erschütterte. Es war, als sei er in einen Schraubstock gespannt, der ihn mit stoischer Gewalt in dieser Position fixierte.
    Doch plötzlich ließ der Schraubstock los.
     
    Für den Bruchteil einer Sekunde war er frei.
    Dann legte sich mit eisernem Griff ein Arm um seinen Hals, und direkt darüber, an seiner Schlagader, spürte er die kalte Klinge eines Messers.
    „ Löschen “, hörte er die tiefe Stimme des Priesters an seinem Ohr. Das Feuer hatte sich beträchtlich ausgebreitet, leckte mit gierigen Zungen an den alten, trockenen Papieren. Vernichtete, was vielleicht jahrhundertelang an diesem Ort angesammelt worden war.
    Der Anblick tat Robert weh – wie sich das niedergelegte Wissen von unzählbaren Generationen in Staub und Asche auflöste. Diese verheerende Zerstörung war sein eigenes Werk.
    Der Priester konnte scheinbar nichts gegen die fortlaufende Katastrophe ausrichten – oder vielleicht würde er zu viel Zeit brauchen, um die Flammen zu stoppen. Doch so schmerzhaft der Anblick der hemmungslos wütenden Flammen auch war: Alles in ihm sträubte sich mit aller Macht gegen die Erfüllung des ihm erteilten Befehls.
    Der Priester wiederholte mit leiser, drohender Stimme: „ Du verdammter Dummkopf: Mach das Feuer aus.“
    Robert spannte alle Muskeln seines Körpers, hob den Kopf ein wenig mehr an. Er spürte, wie der Arm um seinen Hals sogleich fester zugriff.
    „ Mach bloß keine Unsinn “, raunte der Priester ihm warnend ins Ohr.
    Robert atmete tief ein, den Blick auf das Feuer gerichtet. Doch es waren immer weniger die Flammen, deren loderndes Bild den Weg zu seinem Gehirn fand, sondern das Gefühl der Nähe eines unsichtbaren Wesens, das er bewusst mit aller Konzentration zu suchen begann. Er rief es zu sich, dieses Geschöpf, das noch vor wenigen Minuten sein erbitterter Gegner gewesen war. Es hatte sich seiner Autorität gebeugt, sich ihm untergeordnet. – War es ihm noch immer gehorsam?
    Unter seinen Knien spürte er deutlich ein leichtes Erzittern des Bodens. Ein tiefer, grollender Ton, der mehr spürbar war, als hörbar, erklang. Im selben Moment schoss eine plötzliche Stichflamme aus den brennenden Schriften hervor, züngelte bis zur Decke, trug das Feuer in die oberen Regalreihen.
    „ Verdammter Idiot! “ fluchte der Priester voll Wut.
     
    Arm und Messer verschwanden wieder von seinem Hals.
    Robert wollte den Augenblick nutzen, um aufzustehen, doch bewegte er sich viel zu langsam, schien noch immer unter der Gewalt des Priesters zu stehen. Bevor er wieder auf den Beinen sein konnte, versetzte ihm der Priester mit aller Wucht seines massigen, starken Körpers einen Tritt in den Rücken, sodass er vornüber fiel und es ihm dabei nicht einmal gelang, sich mit den Händen aufzufangen. Sein Gesicht knallte auf den Steinfußboden – und der Schraubstock spannte sich von neuem unerbittlich um ihn.
    Völlige Lähmung. Keine Möglichkeit der Gegenwehr.
    Und diesmal gab der Priester sich nicht nur mit der Lähmung seines Körpers zufrieden, sondern er legte auch Roberts Sinne im nächsten Zug lahm. Eine lange Phase der Dunkelheit begann.
    ***
     
    Lange gab es kein wirkliches Erwachen mehr.
    Manchmal erreichte er die Schwelle zum Wachsein, dann drangen Geräusche zu ihm, doch die Dunkelheit blieb wie ein Netz, das ihn umfing. Die Stimme, die von Zeit zu Zeit zu ihm durchdrang, war unverkennbar. Die alte Sprache fand ihren Weg in seinen Kopf, in tiefem, harmonischem Gesang. Manchmal waren da hallende Schritte um ihn herum – oder das Schließen einer Tür. Doch alles blieb weit entfernt, nicht greifbar, wie in einem nächtlichen Traum.
    Kaltes Wasser aus einer Schale – doch das Trinken war schwierig. Etwas befand sich zwischen dem kühlenden Nass und seinen Lippen. Ein Tuch, das sich mit Wasser vollsog und dann an seiner Haut klebte. Doch auch das Trinken war kaum ein Teil der Wirklichkeit. Er schwebte irgendwo im freien Raum – und nur selten konnte die wahre Welt ihn für einen Sekundenbruchteil berühren, aber niemals festhalten.
    Das Wasser schmeckte meist bitter. Wenn er es nicht von selbst trank, presste sich eine harte Hand gegen seine Stirn und drückte seinen Kopf in den Nacken. Dann wurde es ihm unter Zwang eingeflößt. Und er schluckte es, denn tief im Inneren wusste er noch, dass es zum Überleben nötig war. Und nach dem Wasser driftete sein Geist wieder davon
- und der Schlaf holte ihn ein.
    Diese Zeit – Tage? Wochen? – war frei von Gedanken.
    Die

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