Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
war nur wenige Zentimeter von seinem Kopf entfernt und hielt eine mit altmodischem Beschlagwerk verzierte Pistole. Ein Pferd brach aus dem Gebüsch hervor, ein großes, dunkles Tier. Sein Reiter war schwarz gekleidet und trug eine Kapuze, wie die anderen beiden Männer. Er stoppte das Pferd, stieg ab und hob die Hand zum Gruß in Lukas’ Richtung. Die beiden schwarzen Männer kamen aus ihren Verstecken hervor und sie begrüßten den dritten.
Das dunkelbraune Pferd bewegte sich unruhig hin und her und schnaubte dabei, während die Männer irgendwelche Informationen austauschten. Dann kam einer von ihnen her, beugte sich über Lukas und schnitt mit einem Messer das Seil durch, mit dem der Junge an den Baum gebunden war. Er griff Lukas' gefesselte Handgelenke, zerrte ihn auf die Beine und brachte ihn zu den anderen beiden.
„Ich zeige euch die Stelle, an der es sein soll“, sagte der neu Hinzugekommene. „Unser Meister wird erst heute Abend bei uns sein können, wir müssen die Vorbereitungen allein treffen. Aber er hat für uns einen neuen Ort ausgesucht, einen seit alters her dem Namenlosen geweihten Bereich. Da wird niemand mehr unsere Zeremonien stören können, sagt er. Denn dort sind wir völlig geschützt.“
Sie zogen Lukas hinter sich her durch den Wald. Seine Beine waren ganz weich und es war wirklich schwer, ihren schnellen Schritt auf dem weichen Waldboden mitzuhalten. Aber sich zu sträuben hatte keinen Sinn, denn die Hand, die seine Gelenke umklammert hielt, zerrte ihn unnachgiebig mit.
„Ich find’s nicht richtig, dass wir uns vor diesem Kerl verstecken“, ärgerte sich einer der Männer, der neben dem Pferd herging und ab und zu mit der Hand dessen Hals tätschelte. „Warum machen wir nicht einfach kurzen Prozess mit ihm? Er ist nicht der erste Abtrünnige. He, wir haben doch gehört, welche Mächte der Meister heraufbeschwören kann, wenn er leiblich unter uns ist. Wir müssen nun nicht mehr von diesen alten Erzählungen und seinem Wirken aus der Ferne leben. Warum kann er diesen Kerl nicht einfach zerschmettern, ihn von den Dämonen der Hölle in den Wahnsinn treiben lassen?“
„Es ist ein Versteckspiel. Wenn er das Spielchen leid ist, dann wird er genau das tun.“
„Dieses Spiel dauert aber ehrlich gesagt schon sehr lange. Keiner von uns dreien hat doch die alten Zeiten miterlebt, als Robert Adlam zu uns gehörte, bevor der Meister fortging. Und wir sind alle schon eine ganze Weile dabei.“
„Das ist wahr“, bestätigte der eine, der als letztes mit seinem Pferd hinzugekommen war. „Doch für die alten Erzählungen, die du erwähnt hast, gibt es noch einen lebenden Zeugen, mit dem du selbst schon gesprochen hast. Ich bin mir sicher, unser Meister weiß genau, was er an Robert Adlam verloren hat. Und ich denke, er wird ihm am Ende die Wahl lassen, zurückzukommen, in unsere Gemeinschaft. Deshalb lässt er ihn leben.“
Der Mann, der Lukas hinter sich her zog, blieb so plötzlich stehen, dass der Junge stolperte und der Länge nach hingefallen wäre, wäre da nicht dieser Eisenklammergriff um seine Handgelenke gewesen. Auch die anderen beiden stoppten abrupt.
Vielleicht zehn Meter von ihnen entfernt, mitten in ihrem Weg, stand ein Mann in einem dunklen Mantel, regungslos, mit dem Blick auf die Gruppe gerichtet, die ihm entgegenkam. Lukas sah in dieser dunklen Gestalt zuerst einen weiteren der schwarzen, bösen Männer. Aber ein zweiter, genauerer Blick ließ ihn erkennen, dass dieser flüchtige Eindruck ein Irrtum war. Dieser Mann trug keine Kapuze, um sein Gesicht zu verdecken, und sein Mantel ähnelte nur in der Farbe den bodenlangen Gewändern der schwarzen Männer. Doch seine Miene war unbewegt und kalt.
„Verdammt“, fluchte einer der Entführer laut und seine Hand fuhr in die Seitentasche des schwarzen Gewandes, wohl, um dort die Pistole zutage zu fördern.
„Halte deine Hände still, oder du wirst sie dir verbrennen“, mahnte der Mann, der sich dort vor ihnen aufgebaut hatte, mit ernster Stimme. Erst, als Lukas diese Stimme vernahm, die er schon so oft vorher gehört hatte, erkannte er den Chef seines Vaters, Herrn Adlam. Eine kleine Hoffnung keimte in ihm auf, dass nun vielleicht seine Rettung gekommen war.
Verunsichert hielt der schwarze Mann inne, stieß aber gleichzeitig drohend die Worte aus. „Geh uns sofort aus dem Weg!“
„Warum geht ihr nicht einfach an mir vorbei?“ kam die Gegenfrage.
Der Mann mit der schwarzen Kapuze gab keine Antwort darauf,
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