Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
ihm, es blickte zu ihm hinauf.
„Keine Angst mehr“, sagte der Mann mit den schwarzen Kohleaugen und gab ihm einen leichten Klaps auf den Arm. „Du hast sie abgehängt, Lukas.“
Lukas entfuhr ein tiefer Seufzer. Wie froh er war, konnte er gar nicht in Worte ausdrücken.
Herr Adlam schwang sich hinter Lukas auf das Pferd und hielt den Jungen, als sie losritten, mit einer Hand fest. Er trieb das Pferd in den Galopp, obwohl sie sich noch mitten im Wald befanden. Die Bäume rauschten links und rechts an ihnen vorbei, und Lukas zog ganz automatisch den Kopf ein, denn die tief hängenden Zweige sausten in einer beängstigenden Geschwindigkeit an seinem Gesicht vorbei.
Es dauerte lange, bis sie den Waldrand erreicht hatten. Unzählig viele Zweige hatten schon Lukas’ Kopf und Arme unsanft gestreift, als sie endlich wieder unter freiem Himmel waren. Doch das störte den Jungen kaum, denn es ging schließlich zurück nach Hause, wo er in Sicherheit war vor allen bösen, schwarzen Gespenstern dieser Welt.
Mit atemberaubender Geschwindigkeit raste das Pferd über eine Wiese und dann über einen schmalen Pfad hügelauf, in Richtung der bescheidenen Hütte von Lukas’ Familie. Doch vor der Hütte hielt Herr Adlam das Pferd nicht an, sondern setzte in unverändertem Tempo seinen Weg fort. Lukas wandte den Kopf, den Blick unverständig auf das kleine Häuschen seines Vaters gerichtet und sah erst wieder nach vorne, als es aus seinem Blickfeld verschwand.
Kurze Zeit später stoppte Herr Adlam den Hengst vor seinem eigenen Haus, das auf der höchsten Erhebung des Hügels erbaut war. Er sprang ab und hob Lukas herunter.
Der Junge wollte lieber nach Hause, zu seinem Papa und seinen Geschwistern, aber er wagte es nicht, etwas zu sagen. Vielleicht wartete sein Vater ja drinnen, in dem großen, prächtigen Haus.
Herr Adlam gab Lukas einen Wink, er solle ihm folgen, und öffnete die große, schwere Holztür, die in das Haus hineinführte. Die Haushälterin Magarete kam sogleich aus einem der angrenzenden Räume in den Flur geeilt, als sie die Geräusche der Eintretenden vernahm. Ihr Gesicht nahm einen tief erschütterten Ausdruck an, als sie Herrn Adlam erblickte, hinter dessen Rücken sich Lukas schüchtern vor ihr verbarg.
„Was ist passiert?“ fragte sie mit Besorgnis in der Stimme.
„Magarete, würden Sie bitte dafür sorgen, dass mein Pferd in den Stall gebracht wird? Und schicken Sie gleich Heinz zu mir ins Büro“, ordnete Herr Adlam in sachlichem Tonfall an.
„Woher stammt das Blut in Ihrem Gesicht?“ fragte Magarete voller Sorge. Sie schien außerstande, die Anweisungen auszuführen, ohne zumindest eine beruhigende Antwort zu erlangen. „Und der Mantel....“
„Magarete, bitte “, unterbrach sie Herr Adlam mit Nachdruck.
Doch die Haushälterin rührte sich noch immer nicht von der Stelle, denn nun hatte sie den kleinen Jungen entdeckt, der hinter dem Mantel hervorlugte.
„Ist das nicht der Jüngste von Heinrich, dem Pferdepfleger? Der arme Kleine sieht ja ganz zerschunden aus!“
„Magarete, es ist alles in Ordnung. Bitte gehen Sie endlich“, forderte Herr Adlam sie ein weiteres Mal auf und ging einfach an ihr vorbei, in den Raum hinein, aus dem sie gekommen war.
Lukas blieb einen Moment lang zurück und warf einen Blick die hohe, breite Treppe in den zweiten Stock hinauf. Alles war hier so prächtig und so riesengroß, und es roch so sauber, nach Putzmitteln und... wirklich, es roch nach Gebäck! Sein Magen knurrte gierig und jetzt wurde ihm erst richtig intensiv bewusst, wie furchtbar hungrig er war.
„Dein Magen knurrt ja, Kleiner“, stellte Magarete fest und bückte sich zu ihm hinunter. „Geh in die Küche, zu Herrn Adlam. Ich glaube, was da wartet, wird dir schmecken!“
Das ließ Lukas sich nicht zweimal sagen, und wie der Blitz huschte er hinter Herrn Adlam her, um sich den Magen aufzufüllen.
Er kam durch einen Raum, der so groß war, wie Zuhause die gesamte Wohnstube. Aber dieses Zimmer war offensichtlich allein zur Einnahme der Mahlzeiten eingerichtet, und das nur für eine einzige Person. Hinter der nächsten Tür folgte eine riesige Küche, die mit dem einfachen Herd daheim, der sich in der Wohnstube befand, überhaupt nicht zu vergleichen war. Hier gab es gleich mehrere Feuerstellen und viele Schränke, voll mit Geschirr und allem möglichen Kram, den Lukas nicht einmal benennen konnte.
Herr Adlam wies ihm einen der Stühle zu, die an einem kleinen Holztisch in der Ecke
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