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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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wieder hingelegt und zog jetzt eine Schachtel Zigaretten aus der Jeanstasche. »Ich hab noch was viel Besseres als Cider.«
    »Du darfst hier drin nicht rauchen«, protestierte Andy.
    »Warum denn nicht? Hier stinkt’s doch total nach Rauch. Deine Mutter merkt das nie.«
    Andy wusste, dass Shaun recht hatte, obwohl er jeden Morgen, nachdem seine Mutter zur Arbeit gegangen war, als Erstes die Aschenbecher leerte und spülte. »Weil ich es nicht mag, darum.«
    »Das hier wirst du mögen.« Zwischen der Schachtel und der Zellophanhülle zog Shaun einen fetten Joint hervor. Andy hatte noch nie Haschisch geraucht, aber er hatte schon Mitschüler auf dem Nachhauseweg von der Schule dabei beobachtet, und er kannte den Geruch.
    »Nein. Das könnt ihr wirklich nicht hier drin rauchen. Meine Mum würde es riechen.«
    »Ich wette, sie ist ’ne alte Kifferin, deine Mum«, warf Joe hämisch glucksend ein. »So aussehen tut sie jedenfalls.«
    Andy reagierte schon gar nicht mehr auf ihre Beleidigungen. Er wollte sie einfach nur aus dem Haus haben. »Also gut, dann geht eben raus in den Garten. Da draußen könnt ihr rauchen, was ihr wollt.«
    »Okay«, sagte Shaun, und Andy wunderte sich nur, wie schnell er einlenkte. »Dann lass uns mal diesen Garten sehen. Zeig uns die ganzen Attraktionen.«
    Andy führte sie durch die Küche und die rissigen Betonstufen hinunter. Das Licht aus der Küche fiel auf das kahle Fleckchen versengter Erde. In dem Schuppen am Ende des Gartens stand ein alter Rasenmäher, den Andy benutzte, seit er alt genug war, um damit umgehen zu können, aber in dieser Spätsommerhitze wuchs kein Gras mehr, das man hätte mähen können. Ein paar kaputte Ziegelsteine markierten einen kleinen Terrassenbereich; dort hatte er die stapelbaren Plastikstühle aufgestellt, die seine Mutter aus dem Pub mitgebracht hatte. Und in einer Ecke neben den Stufen lagen eine Pflanzkelle und der Sack mit dem Rest der Blumenerde, in die er Nadines Geranien eingepflanzt hatte.
    Shaun steckte den Joint mit einem Plastikfeuerzeug an, und die plötzlich aufflackernde Flamme spiegelte sich in seinen ausdruckslosen dunklen Augen. Der unverwechselbar süßlich riechende Rauch erfüllte die Luft, als Shaun einen Zug nahm und den Joint an Joe weiterreichte.
    Der Gedanke an Nadine ließ Andys Bedenken verfliegen. Warum sollte er es nicht probieren, wo es doch sowieso keinen Menschen interessierte, was er tat?
    Als Joe ihm den Joint reichte, nahm er ihn und sog den Rauch vorsichtig ein, um nicht husten zu müssen.
    »Du musst richtig inhalieren und den Rauch dann drinbehalten, Bübchen«, sagte Shaun, der ihn beobachtete.
    Andy zählte die Sekunden, als ob er im Schwimmbad die Luft anhielte. Endlich ließ er den Rauch entweichen, der in dicken Schwaden davonzog. »Ist doch nichts dabei. Ich glaube nicht, dass da irgendwas drin ist.« Er nahm noch einen Zug und behielt den Rauch drin, dann noch einen. Die Jungen beobachteten ihn grinsend. »Was ist?«, sagte Andy. Plötzlich war da ein komisches Summen in seinem Schädel, und alles schien ganz weit weg zu sein. Er hörte Shaun und Joe lachen, aber seine Zunge schien am Gaumen festzukleben.
    »Das ist ’n Stoff, was?«, sagte Joe. »Den hab ich nicht aus dem Laden an der Parade.« Er nahm den Joint und zog daran, dann hielt er ihn Andy wieder hin und kicherte. »Da. Nimm noch einen Zug.«
    Andy schaffte es irgendwie, den Kopf zu schütteln und einen Schritt zurückzuweichen. »Nee, Mann. Mir ist – Ich will nicht …«
    »Was ist denn das?« Shaun nahm den Joint aus Joes Fingern und schlenderte auf den verfallenen Zaun zu, der Andys Garten von Nadines trennte. »Feiert da jemand ’ne Party?«
    Da hörte Andy die Musik, die von nebenan kam. Alle drei gingen wie von einem Magneten angezogen auf die Quelle der Geräusche zu.
    »Nein, das ist nur meine Nach…« Andy verstummte. Was war das für ein Song? Der leichte Wind, der mit dem Sonnenuntergang aufgekommen war, wechselte die Richtung und trug die schmelzende Stimme an ihre Ohren. Sinatra. »Fly Me to the Moon« . Sein Vater hatte eine alte »Best of Sinatra«-Platte gehabt . Sie war längst unter dem ganzen Rock und Pop vergraben, aber als Kind hatte Andy die Platte geliebt. Seine Mutter hatte sie ihm manchmal vorgespielt, wenn er nicht schlafen konnte.
    »Komische Party«, sagte Joe. »Frag mich, wen sie dazu eingeladen hat.« In der Art, wie er das Wort »sie« aussprach, lag eine Vertraulichkeit, bei der sich Andy die Nackenhaare

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