Wer Blut vergießt
betrunken gewesen und habe sich über ihre Musik beschwert. Er sagt, der Typ habe seine Gitarre anfassen wollen und da habe er die Beherrschung verloren und ihn ins Gesicht geschlagen. Seine Hand war geschwollen – das war einer der Gründe, warum er mit Tam nach Hause gefahren ist.«
»Wie meinst du das – ›seine Version‹?«
»Ich habe heute mit dem Bassisten der Band gesprochen. Er stand direkt hinter Andy, als es passierte. Er sagte, Andy habe den Typen gekannt, und was auch immer es war, worüber sie sich gestritten haben, es sei auf jeden Fall etwas Persönliches gewesen.«
»Okay.« Doug zuckte mit den Achseln. »Dann hat Andy dich also angelogen. Na und? Vielleicht hat er mit der Freundin von dem Typen gevögelt.«
Melody fragte sich angesichts dieser Bemerkung, wie viel Doug bereits erraten hatte. Oder wollte er sie nur provozieren? »Das Problem ist, wenn er in diesem Punkt gelogen hat, dann könnte alles , was er sagt, gelogen sein.«
»Aber du bist absolut sicher, dass er Shaun Francis nicht ermordet haben kann?«
»Absolut«, sagte sie und hoffte nur, er würde nicht verlangen, dass sie ihm Andys Alibi in allen Einzelheiten erklärte. »Aber – was ist, wenn Tam auf die Frage nach seinem Alibi für Freitagabend gelogen hat? Es stand einiges auf dem Spiel für ihn, vielleicht so viel, dass er glaubte, Andy decken zu müssen …« Sie verstummte und starrte auf ihre Hände hinunter.
»Wie kommst du darauf? Du machst da einen gewaltigen Sprung, wenn du von der Tatsache, dass Andy vielleicht gelogen hat, darauf schließt, dass Tam auch gelogen hat. Duncan vertraut Tam. Da ist noch etwas anderes, hab ich recht?«
Ihr Mund war ganz trocken. Sie wünschte, Doug hätte ihr eine Tasse Tee angeboten. »In dem Hotelzimmer, in dem Arnott ermordet wurde, war ein Tropfen Blut auf dem Bettlaken, der nicht von ihm stammte. Und Andy – Ich habe mir nichts dabei gedacht, bis heute … aber am Montag, als ich noch mal zu Andy gegangen bin, um mit ihm über Shaun Francis zu reden, da ist mir aufgefallen, dass er einen fast verheilten Schnitt an der Hand hatte …«
»Na ja, wenn er jemanden geschlagen hat …«
»An der anderen Hand.«
Doug starrte sie an. »Hast du das Gemma gesagt?«
»Nein. Ich habe nur … Ich war …« Melody verstummte.
Doug beugte sich vor und winkelte das verletzte Bein auf dem Polsterhocker leicht an. In seinen Brillengläsern spiegelte sich das flackernde Kaminfeuer, und sie konnte seine Miene nicht deuten. Nachdem er sich wieder zurückgelehnt hatte, sagte er: »Und warum erzählst du mir das alles?«
»Weil ich will, dass du mir hilfst, die Wahrheit herauszubekommen.«
»Warum sollte ich?«
»Weil du mein bester Freund bist. Und weil ich niemanden kenne, der so gut im Recherchieren ist wie du.«
»Mit Komplimenten erreichst du bei mir …«
»Alles«, beendete sie seinen Satz und erntete ein widerwilliges Grinsen.
»Ich bin aber zurzeit nicht besonders gut zu Fuß.«
»Deine Füße brauchst du dazu nicht.« Melody deutete auf seinen Computer. »Du kannst dich von hier aus in die Fallakte auf HOLMES einloggen. Und …« Sie zog nachdenklich die Stirn in Falten. »Was ist mit Gerichtsakten? Könntest du auf Arnotts Fälle zugreifen? Das scheint mir der logischste Ausgangspunkt zu sein.«
»Du verlangst gar nicht viel, hm? Und was kriege ich dafür?«
Melody versuchte ihren Seufzer der Erleichterung zu überspielen. »Wie wär’s fürs Erste mit Bier und Pizza?«
Andy rappelte sich hoch und wankte durch den Garten auf Nadines Tür zu, doch der Boden schien sich unter ihm zu heben und zu senken, und seine Füße fühlten sich an, als ob er durch zähen Morast watete.
Bevor er die Stufen erreichte, sah er, wie Joe rückwärts aus der Küche kam und stammelte: »Es tut mir leid, es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich war nebenan bei Andy, und er hat gesagt – er sagte, ich könnte – Ich wusste nicht …«
Da sah Andy Nadine hinter Joe auftauchen. Sie trug einen Bademantel aus hellblauer Seide, den sie am Hals zusammenhielt. Sie war barfuß, ihre Haare waren zerzaust, und am Saum des Bademantels waren hässlich rote Flecken.
»Raus hier«, sagte sie zu Joe. Sie lallte jetzt nicht mehr. »Verschwinde, oder ich rufe die Polizei.«
»Es tut mir leid«, sagte Joe noch einmal und taumelte rückwärts die Stufen hinunter. »Ich wusste nicht …«
Sie sah Andy. »Du.«
Er blickte sich um, weil er nicht glauben konnte, dass diese kalte und fremde Stimme
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