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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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illustre Lehranstalt ganz in der Nähe. »Sie wollen damit sagen, dass Sie ein paar schwarze Schafe abbekommen haben, und ich vermute, dass Shaun Francis dazugehörte.«
    »Ich hatte ihn in meiner Klasse. Und ich würde sagen, dass ›schwarzes Schaf‹ noch arg untertrieben wäre. Shaun Francis war einer der übelsten Burschen, die mir in all meinen Jahren als Lehrer untergekommen sind. Man soll ja nicht schlecht über Tote reden, aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen. In diesem Fall war er allerdings für das, was passiert ist, nicht selbst verantwortlich – wenigstens nicht direkt.«
    Gemma wartete.
    »Es gab da eine neue Lehrerin, die auch erst im Schuljahr zuvor eingestellt worden war. Sie hatte den Französischunterricht für die Oberstufe von einem Kollegen übernommen, der überraschend ausgeschieden war«, fuhr Carstairs nach einer Weile fort. »Ihr Name war Nadine Drake, und sie war eine junge Witwe.« Seine Züge wurden milder, als er ihren Namen aussprach.
    »Eine junge Lehrerin an einer Knabenschule?« Melody sah ihn skeptisch an.
    »Keine besonders gute Idee«, gab Carstairs zu. »Nadine Drake war nicht nur jung, sondern auch sehr attraktiv. Aber sie strahlte etwas … Distanziertes aus. Sie achtete sehr auf Disziplin in ihren Klassen, und sie wehrte übertriebene Vertraulichkeit seitens der Schüler strikt ab. Sie schloss auch keine Freundschaften mit Kolleginnen oder Kollegen, und ich denke, dass ihr das am Ende zum Schaden gereicht hat.« Er hielt inne, und als er fortfuhr, drückte seine Miene Abscheu aus. »Nicht lange nach Beginn des Schuljahrs kam ein Gerücht auf, wonach Mrs Drake eine … unangemessene Beziehung zu einem der Jungen habe. Als die Sache dem Direktor zu Ohren kam, befragte er den Jungen, der ihm erzählte, Mrs Drake habe ihn in den Sommerferien zu sich nach Hause eingeladen, wo sie sich vor ihm ausgezogen und ihn aufgefordert habe, sie anzufassen. Das ließ ihn natürlich in der Achtung der anderen Jungen gewaltig steigen.«
    »Haben Sie es geglaubt?«, fragte Gemma.
    »Keine Sekunde. Ich fand die ganze Geschichte absolut lächerlich, und meine Vermutung war, dass Shaun Francis das Gerücht in die Welt gesetzt hatte.«
    »Warum hätte Shaun so etwas tun sollen?«
    »Weil er ein nachtragender und rachsüchtiger Typ war. Ich kann nur vermuten, dass er aus irgendeinem Grund einen Groll gegen Mrs Drake hegte und dass das mit seinem Freund nur ein Kollateralschaden war.«
    »Was ist denn mit diesem Freund passiert?«, fragte Melody verwirrt. »Wurde er der Schule verwiesen?«
    »O nein, obwohl es vielleicht besser für ihn gelaufen wäre, wenn er geflogen wäre. Es war Mrs Drake, die den Preis bezahlen musste.«
    Nach dem Abend im Garten vergingen zwei Tage, ehe Andy den Mut aufbrachte, bei Nadine zu klingeln. Er hatte sich zu sehr geschämt, um ihr unter die Augen zu treten, und doch ertrug er es nicht, ihr nicht zu sagen, dass es ihm leidtat, dass das alles nicht seine Idee gewesen war – ob sie ihm nun glaubte oder nicht.
    Er klingelte und klingelte wieder, doch niemand machte auf, weder an diesem Tag noch am nächsten, obwohl ihr Auto vor dem Haus parkte.
    Daraufhin beobachtete er das Haus in der Hoffnung, sie herauskommen oder hineingehen zu sehen, und zwischendurch klingelte er in regelmäßigen Abständen an der Tür, doch aus dem Haus waren keine Geräusche zu hören, und in den Fenstern sah er keine Bewegung. Sie nahm ihren gewohnten Tagesablauf nicht wieder auf – stimmte es, was Shaun und Joe über ihre Französischstunden gesagt hatten? Und unterrichtete sie wirklich an ihrer Schule? Warum hatte sie ihm nie erzählt, was sie machte? Er wusste nicht, was er denken sollte; er wusste nur, dass er die einzige wahre Freundin verloren hatte, die er je gehabt hatte.
    Wenn sie überhaupt je das Haus verließ, dann offenbar zu den Zeiten, wenn er seine Mutter zur Arbeit begleitete oder sie abholte. Er machte sich Gedanken um Nadine, bis er irgendwann ganz krank vor Sorge war, doch es gab niemanden, mit dem er reden oder den er um Hilfe bitten konnte.
    Und Joe und Shaun sah er auch nicht mehr. Sie schienen auf ebenso mysteriöse Weise verschwunden zu sein, wie sie an jenem heißen Tag im Park aufgetaucht waren, und er wusste nicht, wo sie wohnten. Er konnte nicht sagen, was er gemacht hätte, wenn er sie gefunden hätte; er wusste nur, dass er ihnen wehtun wollte, sie irgendwie für das büßen lassen wollte, was sie getan hatten.
    Doch am Ende war ihm klar, dass es

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