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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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steil abfallenden Seitenstraße, die von der Westow Street nach links abzweigte. Nicht nur steil, sondern auch noch mit Kopfsteinpflaster. Nach wenigen Metern verfluchte sie bereits ihre hohen Absätze. Und als sie unten ankam, fragte sie sich, ob sie den Barkeeper vielleicht falsch verstanden hatte. Sie fand sich in einer Sackgasse, und von einem Aufnahmestudio war weit und breit nichts zu sehen.
    Dann entdeckte sie, dass die Straße einen Knick nach links machte und noch ein Stück weit eben verlief, ehe es wieder bergab ging. Auf der rechten Seite parkten einige Autos. Dahinter verdeckten Bäume den Blick auf den Hang, der steil nach Westen abfiel.
    Doch auf der anderen Seite war der untere Teil einer Backsteinmauer mit wilden Wandmalereien verziert, und darüber erhob sich ein chaotisches Konglomerat von Gebäuden aus Stein und Metall, das aussah, als hätte ein Riesenkind mit Bauklötzen gespielt.
    Sie blieb stehen, um sich den Block genauer anzusehen, und da hörte sie es. Es dauerte einen Moment, ehe sie die Quelle der Geräusche von den Echos unterscheiden konnte, und als es ihr gelungen war, stellte sie fest, dass die Musik vom oberen Ende einer steilen, über mehrere Stockwerke führenden Metalltreppe kam.
    »Verdammt«, murmelte sie. Mit einem weiteren verdrießlichen Blick auf ihre Schuhe steuerte sie auf die Treppe zu.
    Die Musik war immer deutlicher zu hören, je höher sie stieg. Die Klänge einer E-Gitarre, unterlegt von einem markanten Bassrhythmus. Und dann die Stimmen. Die eine weiblich – kräftig und selbstsicher, mit einem eigentümlichen Timbre. Dann kam eine zweite, männliche Stimme dazu, und beide fügten sich zu einer Melodie, die in ihr Erinnerungen an ihre Lieblingsmusik weckte, aber zugleich etwas ganz und gar Neues darstellte.
    Als sie endlich die hölzerne, mit einem Geländer eingefasste Plattform am oberen Treppenabsatz erreichte, war sie nur ein Mal mit dem Absatz hängen geblieben. Während sie stehen blieb, um ihren Schuh zu richten, spähte sie durch das Fenster neben der geschlossenen Tür, konnte aber hinter ihrem eigenen Spiegelbild nur verschwommene Konturen ausmachen.
    Sie klopfte leise und kam sich plötzlich sehr wie ein Eindringling vor. Niemand öffnete, die Musik brach auch nicht ab, also öffnete sie nach einer Weile die Tür und trat vorsichtig ein.
    Der Raum war groß, mit dunklen, abgetretenen Holzdielen. Verschiedene Möbelstücke und elektronische Geräte waren willkürlich an die Wände geschoben worden. Ein elektrischer Heizstrahler nahe der Tür gab einen willkommenen warmen Luftstrom ab, der jedoch, wie Melody vermutete, nicht weit in den Raum hineinreichte.
    Vier Personen waren in der Nähe der großen Fenster auf der Westseite versammelt. Einen Moment lang beobachtete Melody sie, ohne dass jemand von ihr Notiz genommen hätte.
    Der Gitarrist und die junge Frau, die sie hatte singen hören, standen einander gegenüber und sangen in zwei Mikrofone. Die Sängerin wirkte – ihrer kräftigen Stimme zum Trotz – wie ein Kind in ihrem Rüschenröckchen und der geblümten Strumpfhose. Ihre kurzen Haare hatten die Farbe von Orangenlimonade, und sie hatte einen etwas merkwürdig aussehenden E-Bass umgehängt.
    Der Gitarrist, der Jeans, Turnschuhe und ein T-Shirt trug, spielte auf einer ramponierten roten E-Gitarre und sang, während seine Finger über die Saiten flogen. Melody schätzte, dass er ungefähr in ihrem Alter war. Schmal – fast zu dünn –, mit zerwühlten blonden Haaren. Eigentlich sah er gar nicht schlecht aus, und sein Gesicht hätte man fast hübsch nennen können, hätte die Konzentration seine Züge nicht so angespannt.
    Melody wusste nicht, ob sie je einen Menschen gesehen hatte, der so vollkommen in dem aufging, was er gerade tat – jeder Muskel, jede Sehne seines Körpers schien wie eine Verlängerung der Gitarre in seinen Händen. Ihr stockte der Atem, und sie spürte, wie ihr Puls sich beschleunigte.
    Sie musste sich bewusst losreißen, um ihre Aufmerksamkeit den beiden anderen Anwesenden zuzuwenden.
    Ein kleiner Mann mit einer verblichenen Schottenmütze auf dem Kopf stand neben einem schwarz glänzenden Flügel und sah den Musikern wie hypnotisiert zu. Ein zweiter, größerer Mann mit braunen, gepflegten Haaren und ebensolchem Bart filmte das Geschehen mit einer Videokamera, die nach Melodys Einschätzung ziemlich hochwertig aussah.
    Dann endete der Song auf einem lang angehaltenen Ton, der Gitarrist spielte einen abschließenden,

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