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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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des Feldes kam das Säen, schloss François.
    Hénon wirkte nicht überzeugt.
    »Dann wäre es ihm also deiner Meinung nach gelungen, seine Impotenz zu überwinden?«
    »Vielleicht, ja.«
    »Ich kann dir nur schwer folgen. Wenn der Kreis sich geschlossen hat, wieso hätte er dann ein weiteres Mal töten sollen?«
    »Immer aus demselben Grund. Weil er nicht zufrieden war. Sein imaginäres Bild war wahrscheinlich nicht perfekt genug. Er wollte es noch einmal machen.«
    »Und weil es schon wieder schiefging, hat er den Schädel der Kleinen in einem Wutanfall mal eben schnell zertrümmert oder was?«
    »Möglich. Vielleicht haben wir nur seine Skizzen vor Augen. Was den Schluss nahelegen würden, dass er weitermachen wird.«
    Der Polizeidirektor brummte etwas Unverständliches vor sich hin.
    »Das sind doch alles nur Vermutungen. Mit Vermutungen kann man nichts Ordentliches anfangen.«
    »Wir müssen uns um die jüngsten Vermisstenmeldungen in der Gegend um Limoges kümmern«, beharrte François. »Kannst du jemanden vor Ort kontaktieren?«
    Hénon schimpfte.
    »Ich kümmere mich darum und halte dich auf dem Laufenden.«
    Der Leiter der Kripo hatte bereits aufgelegt. Dass er so angespannt war, war kein gutes Zeichen, auch nicht der Ort, an dem er sich befand. Die Ermittlung war festgefahren, die Bonzen im Ministerium wurden allmählich unruhig.
    François atmete die frische Luft tief ein und machte noch einen weiteren Anruf.
    »Julia, ich bin’s.«
    »Hallo.«
    Der Polizist spürte die Anspannung.
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Ich bin gerade ziemlich unter Druck. Was ist los?«
    »Ich habe Neuigkeiten.«
    »Natascha?«
    »Unter anderem.«
    Der Profiler schilderte ein weiteres Mal sein Gespräch mit Élodie. Dann legte er ihr dar, welche Schlüsse er daraus gezogen hatte. Die vielen Prepaidkarten, die Orte, an denen sie gekauft worden waren, die Verbindungsdaten: Damit wurde die These, dass es sich bei den Tätern um ein Paar handelte, durch weitere Fakten gestützt. Vor und nach jedem Mord hatte der Mörder Natascha kontaktiert. Außer in Bagnolet, was darauf schließen ließ, dass die Täter gemeinsam dort gewesen waren.
    François erklärte auch, wie der Mörder Lucie in die Falle gelockt hatte. Diesmal hatte Natascha ihre Finger nicht im Spiel gehabt. Er hatte das selbst übernommen, wie vielleicht auch bei Pierre. Außerdem erzählte er von dem Kauf einer Karte in Limoges, was befürchten ließ, dass es noch ein Gemetzel gegeben hatte. Anschließend erläuterte er ihr seine These von den Skizzen, die vermuten ließen, dass der Mörder unzufrieden war und weitere Morde begehen könnte.
    Julia reagierte nicht sofort. François hörte ihren Atem. Er nahm an, dass sie die Einzelheiten gerade auf ihre Weise in eine Ordnung brachte. Nach ein paar Sekunden war die Stimme der jungen Frau wieder zu vernehmen:
    »Bravo!«
    Sie schien sich nicht wohlzufühlen. Der Kommissar hatte es mal wieder geschafft, dass sie sich zurückzog.
    »Ich kann dich nicht hören. Gibt es ein Problem?«
    »Ja … Ich bin das Problem.«
    »Du oder wir?«
    »Das ist doch eins.«
    Dieses brutale Gefühl der Leere im Bauch. François hörte sich selbst fragen:
    »Möchtest du, dass wir Schluss machen mit dem Ganzen?«
    »Nein …«
    »Was dann?«
    Er war lauter geworden. Passanten warfen ihm besorgte Blicke zu. Wahrscheinlich glaubten sie, einen Verrückten vor sich zu haben, der ganz allein mitten auf der Straße Selbstgespräche führte.
    »Unsere Beziehung ist nicht sehr ausgeglichen«, bemerkte Julia.
    »Wo liegt das Problem? Findest du mich zu alt?«
    »Ach, hör doch auf mit dem Blödsinn …«
    »Was stört dich dann? Ich versteh’s nicht.«
    »Du hast mehr Erfahrung als ich. Du bist der bessere Polizist. Ich weiß, das ist bescheuert, aber ich komme damit nicht klar.«
    Tief einatmen. Die richtigen Worte finden. Sie beruhigen.
    »Warum sagst du so was?«
    »Du siehst sofort, worauf es ankommt. Ich dagegen greife ständig daneben.«
    Die letzten Stunden dürften schwierig für sie gewesen sein. François lehnte in einem Einfahrtstor und versuchte, sie zum Reden zu bringen.
    »Na, dann erzähl mal. Und vergiss bitte nicht, dass ich auf deiner Seite bin.«
    Ein paar Sekunden lang blieb sie noch stumm, bockig, wie vorhin auch schon. Dann fasste die junge Frau sich ein Herz.
    »Es hat überhaupt keine Esoterikmessen gegeben. Weder in Avignon noch in Grenoble. Natascha hat nie auch nur einen Fuß dorthin gesetzt. Du hast nur drei Telefonate

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