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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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der Nacht an einem Sonntagabend mit ihr nach draußen gegangen, um von dem angehenden Model Fotos zu schießen.
    Warum hatte er ihnen nichts davon gesagt?
    47
    François sammelte seine Gedanken.
    Maxime. Unglaublich. Der Bursche hatte ihn an der Nase herumgeführt. Er hatte sich still und heimlich davongestohlen, sobald sein Vater zu schnarchen anfing. Diese kleine Flucht an sich war noch zu rechtfertigen. Ein junges, attraktives Mädchen, das wusste, wie man die Sache anstellte … ein Jugendlicher mitten im Hormonschub konnte da nicht lange widerstehen.
    Aber warum diese Lüge? Der Profiler fand keine Erklärung.
    Die Räder des Airbusses trafen auf den Asphalt. Aufheulendes Triebwerk. Vibrierender Rumpf. Ende der Überlegung.
    Zehn Minuten später traf François in der Halle des Flughafens Marseille-Marignane auf Julia. Sie warf sich in seine Arme und küsste ihn. Die Wärme ihres Atems. Die elektrisiernde Berührung ihrer Zunge. Einen kurzen Moment lang war alles wie in Watte gepackt.
    Sie flüsterte ihm ins Ohr:
    »Das tut gut …«
    Er drückte sie an sich und merkte kaum, was er tat. Das Glück beherrschte alles, auch wenn ein leichtes Fremdheitsgefühl mitschwang.
    Dann trat sie einen Schritt zurück.
    »Gute Reise gehabt?«
    »Ich hab die ganze Zeit geschlafen.«
    »Du bist hundemüde. Pass auf, man sieht dir das allmählich auch an.«
    »Du musst dich eben um mich kümmern.«
    Zustimmendes Lächeln.
    »Das Auto steht vorn. Es ist nicht so bequem wie der Touareg, aber da kannst du dein Mittagsschläfchen fortsetzen.«
    Sie gingen zu dem zivilen Polizeiwagen, einem 306er, der auf dem Autoparkplatz quer geparkt stand. Julia setzte sich ans Steuer. Sie fuhr los, während François den Sicherheitsgurt anlegte.
    »Fahren wir zu ihm nach Hause?«, fragte der Kommissar.
    »Besser, wir fangen ihn vor dem Gymnasium ab. Ich hab schon angerufen. Die Schulstunden sind um siebzehn Uhr zu Ende.«
    Marchand sah auf die Uhr – sechzehn Uhr fünfzehn.
    »Schaffen wir das?«
    »Vertrau auf Schuhmacher. Und jetzt ziehst du mal den Stecker raus und schläfst ein wenig.«
    Er sah sie zärtlich an. Sie schien sehr an ihm zu hängen. Obwohl für Gefühle bei ihm nicht viel Platz war, obwohl er sich so zögerlich verhielt, obwohl er diesen Irrsinnsjob hatte, der alles noch komplizierter machte. Mit dieser Erkenntnis kam die Entspannung. Er schlief ein und stellte sich vor, wie er mit ihr von seinem Wohnzimmer aus auf die Seine blickte, in dem Leben, das sie eines Tages haben könnten.
    Ein schrilles Klingeln. Köpfe, die in alle Richtungen davonstoben. Menschentrauben auf den Gehsteigen und verstopfte Straßen. Schulschluss im Zentrum von Avignon, ein wüstes Gerangel.
    François prüfte mit Scannerblick die Schülerschar. Sie stürmten aus den Hof wie ein wütendes Heer. Handy, MP 3-Player, Kippen, alles, was in den Taschen geschlummert hatte, fand den Weg an die frische Luft. Eine Kakophonie brandete an das Trommelfell und übertönte sogar noch den Verkehrslärm.
    Der Profiler entdeckte den jungen Mann. Er entfernte sich aus dem Gedränge, Tasche über der Schulter, ruhiger Schritt. Kurz darauf machte er vor einem Scooter Halt und schloss die Kette auf.
    François stellte sich breitbeinig vor ihn hin.
    »Hallo, Maxime. Können wir dich mal einen Moment sprechen?«
    Leichte Beunruhigung, als er den Kommissar erkannte.
    »Ist es wieder wegen meinem Vater?«
    »Nein«, antwortete François ruhig.
    »Was ist passiert?«
    »Folge uns. Im Wagen ist es nicht ganz so kalt.«
    François setzte sich mit ihm auf den Rücksitz. Julia saß vorn und hatte sich nach hinten umgedreht. Weil es so eng war, herrschte in dem Auto eine merkwürdig intime Atmosphäre.
    Der Kommissar kam sofort zur Sache:
    »Warum hast du mich angelogen?«
    »Was meinen Sie?«
    »Das weißt du ganz genau.«
    »Nein … Ehrlich nicht.«
    Marchand legte ihm den Arm um die Schultern.
    »Du hast mir gesagt, du wärst an dem Abend, als Lucie ermordet wurde, zu Hause gewesen. Mit deinem Vater.«
    »Stimmt …«
    »Aber Lucie hat dich am Nachmittag angerufen, und ihr habt euch für nach dem Abendessen verabredet.«
    Er tat überrascht. Was total gespielt war.
    »Na, das ist ja wohl ein Ding …«
    Der Profiler zog die Liste der Telefonverbindungen aus der Tasche.
    »Schau her. Das ist doch deine Nummer, oder nicht?«
    Maxime schaute sich die unterstrichenen Zahlen an. Jetzt sah er schon ein wenig ängstlicher aus.
    »Ach ja, ich erinnere mich. Sie hatte mich auf dem

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