Wer Boeses saet
gebraucht, um das herauszufinden.«
»Entschuldige, aber … ich hatte den Eindruck gehabt, du hättest das auch verstanden.«
»Du begreifst das nicht … Das war meine Idee gewesen. Ich hab mir das eingebildet. Und es war alles falsch.«
»Du hast dir Mühe gegeben«, entgegnete François. »Genau das macht den guten Polizisten aus. Alle Möglichkeiten ins Auge fassen, auch die absurdesten. Und dann überprüfen. Du hast nicht danebengelegen. Du hast eine Option gestrichen.«
»Für dich ist das leicht, du …«
»Julia, so ein Blödsinn … Wir befinden uns hier nicht in einem Wettstreit. Ohne dich wären wir nie so weit gekommen.«
Das Argument zog offenbar.
»Denkst du das wirklich?«
»Natürlich nicht! Ich wollte nur mit dir zusammenarbeiten, weil ich dich für geistig zurückgeblieben halte.«
Marchand konnte Julias Lächeln geradezu hören. Sie kam wieder ein Stück weit auf ihn zu. Das war der passende Moment, ihr seine Anerkennung zu zeigen.
»Hattest du nicht vorgehabt, mal in so eine Modelagentur reinzuschnuppern?«
»Hab ich auch gemacht.«
»Und?«
»Lucie musste noch am Mordabend Fotos machen lassen. Für ein Casting, ein Modelbook … Das war offenbar wahnsinnig eilig.«
Diese Neuigkeit brachte eigentlich nichts wesentlich Neues. Sie erklärte nur, was die junge Frau bis Mitternacht getrieben hatte.
»Hast du den Fotografen vernehmen können?«
»Dazu muss ich ihn erst mal finden.«
»Hat die Agentur dir denn nicht seine Adresse gegeben?«
»Doch, aber das war nicht der Richtige.«
Der Profiler lief jetzt wieder ein Stück.
»Was soll das heißen?«
»Die beiden haben sich in die Haare gekriegt. Dann ist sie zu einem anderen gegangen, der hatte aber keine Zeit. Sie hat ihn zum Teufel gejagt und ihm gesagt, sie würde sich die Fotos woanders besorgen. Sie würde da jemanden kennen. Einen Hobbyfotografen, der die Fotos genauso gut machen würde, ohne auch nur einen Cent dafür haben zu wollen.«
»Und weißt du, wer das gewesen ist?«
»Nein …«
Gleich würde sie erneut einschnappen. François merkte, dass er schon wieder diesen Befehlston angeschlagen hatte. Er musste zurückrudern.
»Du hast gute Arbeit geleistet. Den finden wir schon.«
»Wie denn? Dieses Mädchen ist einfach immer wieder für eine Überraschung gut.«
Da hatte sie nicht unrecht. Seit Beginn ihrer Ermittlungsarbeit im Fall Lucie hatte sie zehnmal das Gesicht gewechselt. Aber jetzt hatte der Kommissar einen Joker in der Hand.
»Um wie viel Uhr hat sie den letzten Fotografen verlassen?«
»Nicht später als sechzehn Uhr.«
»Und das war auch in etwa der Zeitpunkt, zu dem sie versuchte, ihren Freund zu erreichen.«
»Ja, wahrscheinlich …«
Stille. Dann schrie Julia fast:
»Mensch, sind wir blöd! Die Anrufliste!«
»Drück mir die Daumen und gib mir fünf Minuten.«
François legte auf. Er ließ die Icons auf dem Bildschirm seines Laptops vorbeimarschieren und ging ins Internet. Eine ungelesene Mail wartete im Posteingang. Eine kleine Mitteilung von Élodie und zwei angehängte Dokumente. Er öffnete das mit dem Namen Lucie Barmont. Eine lange Datenreihe, gefolgt von Zahlen.
Dreizehnter Januar 2009. Gerade mal fünf Telefonate über den Tag verteilt. Ein einziges innerhalb des Zeitfensters. Um 16 Uhr 12. Danach nichts, bis zum Anruf des Mörders.
François wählte sofort die Nummer, ein Festnetzanschluss. Sofort schaltete sich ein Anrufbeantworter ein.
»Guten Tag, dies ist der Anschluss von Gérald und Maxime Galthier. Wir sind gerade nicht zu Hause. Hinterlassen Sie bitte eine Nachricht. Danke.«
Er hielt die Luft an. Galthier. Schon wieder.
Und schon war die Logik wieder am Werk. In diesem Augenblick hatte sie nämlich keinen Grund gehabt, ihn anzurufen. Sie wusste ja nicht, dass er der Léo von Meetic war, der Freier, den sie eine Stunde später in einem Café in Châteaurenard treffen sollte.
Allmählich tauchten immer mehr Erinnerungsbruchstücke auf. Die Wagen mit Vierradantrieb, die das Objektiv in voller Geschwindigkeit eingefangen hatte. Ein Fotoapparat auf der Ecke des Tischs. Zwei unscheinbare Sätze, die das Gespräch in Gang bringen sollten.
»Fotografierst du?«
»So’n bisschen.«
»Hast du die Geländewagen aufgenommen?«
»Ja …«
»Ich habe einen Touareg.«
»Cool.«
Maxime.
Galthiers Sohn.
Der Jugendliche, der fast eine Wohngemeinschaft mit Lucie gegründet hätte, während ihr Vater sie besprang.
Ihn hatte sie angerufen. Er war zu Hause gewesen und mitten in
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