Wer Boeses saet
gesehen?«
Der Profiler spürte sein Herz schneller schlagen.
»Ist das nicht so ein Horrorfilm?«
Karim war entsetzt.
»Das ist eine Legende, du Idiot! Neun Verfilmungen seit 1978. Die letzte kam vor zwei Jahren raus.«
Maxime! Die Website »horror.com«, die sie auf seinem Computer gefunden hatten. Das war eine unerwartete Verbindung. François ging um den Schreibtisch zu seinem Sessel, machte es sich darin bequem.
»Nun mach schon. Erzähl.«
»Myers ist ein Psychopath. Ein echter Metzger. Heute wirken die Filme eher komisch, wenn man sich ansieht, was mittlerweile so alles produziert wird. Aber damals war das richtig heavy stuff. Zumal John Carpenter beim ersten Film Regie führte. Du weißt, was ich meine … «
»Nein.«
» Das Ding aus einer anderen Welt, Vampire, Ghosts of Mars … «
Der Junge schien sich echt auszukennen. Im Gegensatz zu François. Dieses Universum war ihm so fremd wie die Seidenmalerei.
»Das ist gewiss sehr spannend. Aber erzähl mir mehr von Myers.«
»Das Ganze fing in einer Halloweennacht an. Daher auch der Name der Serie … Als es losgeht – ich erzähl dir jetzt die Neuverfilmung –, ist er gerade mal zehn Jahre alt. Und ich kann dir sagen, da ist der schon ziemlich durchgeknallt. Zieht sich eine Latexmaske über den Kopf, ein bisschen so wie auf deiner Zeichnung da, und macht dann die halbe Familie mit dem Küchenmesser oder dem Baseballschläger platt. Die Einzige, die er nicht umbringt, ist seine kleine Schwester.«
Eine Maske. Eine Stichwaffe. Eine Überlebende. Alles passte zusammen. Der Mörder hatte lediglich den Baseballschläger gegen einen Schürhaken eingetauscht.
Karim erzählte eifrig weiter.
»Aber das ist erst der Anfang. Er wird festgenommen, man steckt ihn in ein Sanatorium, siebzehn Jahre später kann er entkommen. Ich erzähle dir hier nichts großartig Neues. Er kehrt in sein Viertel zurück und sticht alles ab, was sich bewegt. Sogar den Psychiater, der ihn heilen wollte.«
François hörte gar nicht mehr hin. Ohne es zu merken, hatte Karim gerade den absoluten Knüller entdeckt. Hier ging es nicht um Transsexualität, Wiedergeburt oder heidnische Naturriten. Indem der Mörder Justine auf diese Weise umbrachte, war er nicht dieser Logik gefolgt, sondern hatte einfach nur die Handlung eines Horrorfilms nachgespielt.
Diese Kröte zu schlucken fiel dem Profiler schwer. Er war in die falsche Richtung gerannt, weil er unbedingt alles in die Psychoecke hatte schieben wollen. Selbst Forestier war das aufgefallen. Um zu erklären, warum es keine Vergewaltigung gegeben hatte, hatte François sich sogar schnell noch eine Theorie zusammengebastelt. Die hatte zwar Substanz, aber er hatte sie nur deshalb erfunden, weil er wieder auf den Füßen landen wollte. In seiner Erklärung war die Impotenz des Killers der Grund dafür, dass er über Justines Leiche hergefallen war.
Und zu dieser These war er dann auch wieder zurückgekehrt, als er entdeckte, dass es noch einen Mord geben musste, der noch gar nicht entdeckt worden war. Einen Mord, dem diesmal vielleicht eine Vergewaltigung vorausgegangen war. Und auch hier war es ihm gelungen, dem Ganzen einen Zusammenhang zu geben, indem er sich überlegt hatte, dass der Killer mit seinem Werk vielleicht nicht zufrieden gewesen war und es deshalb noch einmal hatte verbessern wollen.
Und das alles nur, weil er unbedingt an seine These glauben wollte und sich selbst nicht eine Sekunde lang infrage stellte. Und vor allem, weil sein alter Beruf ihm die Legitimation dazu gab.
Was für ein hanebüchener Unsinn!
Karims Stimme drang wie ein Summen an sein Ohr:
»Der erste Film war der beste. Danach haben sie wirklich nur noch irgendeinen Quatsch gedreht.«
François fiel ihm ins Wort.
»Wenn ich dir Folgendes erzähle: Das Opfer wurde mit der Kettensäge umgebracht, und es wurde ihm das Gesicht abgenommen – woran denkst du dann?«
»Soll das jetzt ein Quiz zum Thema Horrorstorys sein oder was?«
»Ja, genau, ein Quiz.«
» Blutgericht in Texas , besser bekannt unter dem Originaltitel The Texas Chainsaw Massacre . Sechs Folgen. Die erste 1974, unter der Regie von Tobe Hooper. Der abartige Kerl, der die Touristen abschlachtet, heißt Leatherface . Wegen seiner Maske aus Menschenhaut.«
»Und jetzt: ein Opfer mit Verbrennungen dritten Grades, dem mit einer Stichwaffe zahlreiche Wunden zugefügt wurden.«
»Was denn für Wunden?«
»Symmetrische, in Vierergruppen. Wie mit einer Heugabel, zum Beispiel.«
Der
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