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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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Junge dachte nach. Dann hellte sich seine Miene auf.
    »Nightmare – Mörderische Träume . Wes Craven. Von der Nightmare-Reihe gab es acht Folgen. Neun, wenn man die Fernsehserie mit dazurechnet. Der Mörder heißt Freddy Krueger. Kinder waren schuld, dass er den Flammentod sterben musste, da kehrt er zurück, um sie im Schlaf zu ermorden. Er hat sich dafür eine Art Handschuh gebastelt, der aus Rasierklingen besteht. Eine Klinge für jeden Finger, nur der Daumen fehlt.«
    Bei jeder Erklärung Karims wurde der Nagel ein wenig tiefer hineingetrieben. Nicht nur der Mord an Justine passte jetzt nicht mehr ins Schema, das ganze Gerüst ihrer bisherigen Ermittlungsarbeit ging in Rauch auf.
    Der Mörder war kein perverser Sexualstraftäter. Weit gefehlt! Seine Motive ähnelten eher denen der copycats , jenen Tätern, die versuchen, von anderen begangene Verbrechen zu kopieren.
    Diese Verbrechen dort waren rein virtuell. Kinometzeleien, weitaus spektakulärer als der gewöhnliche Tod. In seinem Wahnsinn hatte der Mörder beschlossen, sich von den berühmtesten Schreckgestalten der Kinowelt inspirieren zu lassen. Jedes Mal hatte er sich einige Details herausgegriffen, mit der die Person oder deren Art zu töten charakterisiert wurden. Die Kettensäge und die Maske aus Fleisch; das Feuer und die symmetrischen Wunden; das Küchenmesser, der Schürhaken und die Halloweenmaske.
    Wie hatte man sich den Täter vorzustellen? War er größenwahnsinnig? Ganz bestimmt. Aber paradoxerweise auch sehr unsicher, ein Mann ohne Vorstellungskraft, ohne eigene Phantasie.
    Der größte Albtraum für einen Profiler.
    »Ermittelst du jetzt im Umfeld von Splatterfilmfans?«
    »Wie bitte?«
    François war so in Gedanken vertieft gewesen, dass er Hallaoui ganz vergessen hatte.
    »Deine Fragen. Die hast du doch nicht gestellt, um persönliche Wissenslücken zu stopfen.«
    Jetzt blieb keine Zeit mehr für Erklärungen. Er fühlte nur noch eines: dass es eilte und dass sie die Sache noch einmal ganz neu aufrollen mussten.
    »Danke für deine Hilfe, Karim. Ich muss weitermachen.«
    »Du schmeißt mich raus?«
    »Komm Montag wieder. Dann hab ich, was du brauchst.«
    »Sicher?«
    »Willst du’s schriftlich?«
    Karim lächelte breit und grüßte auf Arabisch, Hände gefaltet und Rücken gebeugt. Während François ihm zusah, nippte er am Kaffee. Der war kalt geworden. Er ging zurück, um sich einen frischen zu kochen, und grübelte dabei über alles nach.
    Im neuen Licht betrachtet, gab es trotzdem noch einen Punkt, der nicht recht passen wollte. Der Mörder hatte keine Nachricht hinterlassen. Er forderte nichts, er suchte keinen Kontakt. Copycats hatten aber meistens das Bedürfnis nach Anerkennung. Um ein Gefühl der Wertlosigkeit zu kompensieren, das mit ihrem Mangel an Persönlichkeit zu tun hatte. Warum war der Täter so unauffällig?
    François ließ den Kopf nach hinten sinken und betrachtete die Decke. Er fühlte sich erbärmlich, wertlos. Obwohl er so viel wusste und über eine starke Intuition verfügte, hatte sein Gegner ihn reingelegt. Er behandelte ihn wie einen Hampelmann und ließ ihm nicht die geringste Chance, in sein Denken einzudringen.
    »Ein Menschenfresser«, hatte der kleine Hugo gesagt. Wie die Monster, die der Verrückte sich zum Vorbild genommen hatte. Er war aus dem Nichts aufgetaucht, um Kinder zu verschlingen. Es gab kein Gesicht, keine einzige Spur, nichts. Er hatte sich seinen Opfern auf Zehenspitzen genähert und dann Köder benutzt, um selbst im Schatten zu bleiben.
    Diesem kleinen Körnchen im Getriebe musste François nachgehen.
    Er musste sich an die Treiber halten. Denn im Gegensatz zum Mörder machten sie Fehler.
    Bei Maxime war das der Fall gewesen. Nun wurde er gesucht. Natascha würde irgendwann den falschen Weg einschlagen. Und wahrscheinlich gab es noch zwei andere …
    Die Treiber.
    Sie waren der einzige Schwachpunkt des Mörders.
    56
    Ein Hupsignal.
    Julia schreckte aus dem Schlaf. Durch das Fenster starrte sie jemand missmutig an. Sie ließ die Scheibe herunter, die Augen noch ganz glasig vom Schlaf.
    »Was ist das Problem?«
    »Wir müssen ausliefern! Sie können wohl nicht lesen?«
    Sie holte ihren Polizeiausweis heraus und hielt ihn müde hoch.
    »Aber du schon, was?«
    Der Kerl wich zurück wie der Teufel vor dem Kruzifix. Er drehte sich um und ging, ohne weiter auf seinem Ansinnen zu beharren.
    Die junge Frau ließ die Fensterscheibe wieder hoch. Es war kalt in dem Wagen, was der Treibhauseffekt nur

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