Wer Boeses saet
ungenau, auf der aber nach und nach kantige Knochen erschienen, eine hohe Stirn, eine gerade Nase, darüber eine Masse schwarzen glatten Haares.
Als er mit der Zeichnung fertig war, fragte François:
»Kann ich die mitnehmen?«
»Die hab ich für dich gemacht.«
Der Polizist steckte die Zeichnung ein. Er stand auf und streichelte dem Kind übers Haar.
»Das war gut, mein Großer. Du bist ein echter Meister.«
Hugo hatte sich bereits in sein neues Werk vertieft. Er wusste nicht, dass seine Zukunft für alle Zeiten durch das geprägt sein würde, was er gerade durchlebte.
Für ihn zählte nur der Augenblick.
55
Eine Maske.
Dieses Schwein hatte eine Maske getragen.
Seit zehn Minuten sah François sich diese Zeichnung an, aber es gelang ihm nicht, sie mit irgendetwas in Verbindung zu bringen. Ein auf unbestimmte Weise menschliches Gesicht mit beängstigendem Ausdruck und scharf geschnittenen Zügen. Die Scherzartikelläden waren voll von solchen Monstern.
Er stand auf und kochte sich Kaffee. Seit dem Aufwachen hatte er keine Zeit dazu gehabt. Viel zu viel zu tun. Zum Glück hatte Charlotte bei ihrer Großmutter geschlafen. Und diesmal war es François auch lieber so. Er hatte nicht das Gefühl, noch die Kraft zu haben, mit ihr zu sprechen oder zu streiten. Nicht unter diesen Bedingungen. Sie brauchten eine echte Auszeit. Eine Woche Ferien, nur sie beide, um ihre Beziehung wieder zu festigen.
Der Geruch des Nespressos ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Er tat löffelweise Zucker hinein, als Ausgleich dafür, dass er nichts Ordentliches gegessen hatte. Seit ein paar Tagen war es mit seiner Ernährung nicht mehr weit her. Da er ohnehin nervös war, war dieses Verhalten geradezu selbstmörderisch.
Schwungvoll wurde die Tür aufgerissen.
»Yo, Mann. Sieht ganz so aus, als würdest du mal wieder ein paar Überstunden runterreißen, was?«
Karim Hallaoui. Mütze verkehrt herum, dunkelgrauer Trainingsanzug, Kopfhörer auf den Ohren. Der Festplatten-Mozart lächelte sein breitestes Lächeln. Seine Augen dagegen wirkten stoned.
»Hallo, Karim. Alles klar?«
»So weit alles klar, und bei dir?«
»Passt schon.«
Das übliche Geplänkel. Der wahre Grund für seine Anwesenheit ließ sich in einem Wort zusammenfassen: Tercian. Das war das Neuroleptikum, das er ihm tags zuvor versprochen hatte, damit er den Entzug überstehen würde. François rückte gleich mit der Wahrheit heraus:
»Ich hatte keine Zeit, mich um dich zu kümmern.«
»Im Ernst?«
»Ich hatte nicht einen Moment Zeit für irgendwas. Willst du einen Kaffee?«
Das Lächeln verschwand.
»Was brauch ich einen Kaffee? Ich bin auf Entzug, Mann, ich brauche Medis.«
»Du bist nicht auf Entzug. Das spielt sich nur in deinem Kopf ab.«
»Ach ja, und woher weißt du das? Bist du da drin in meinem Kopf oder was?«
Verzweiflung. Der Profiler fühlte sich ein wenig schuldig. Wenn er Karim brauchte, war er immer da. Von ihm dagegen kam nichts. Er wies ihn trotzdem in seine Schranken.
»Als Erstes beruhigst du dich jetzt mal, ja?«
»Ich mich beruhigen?! Hast du dir mal meine Fresse angeschaut?«
»Und du dir die meine? Glaubst du etwa, mir macht das besonderen Spaß?«
François war laut geworden. Karim senkte den Kopf wie ein kleines Kind, das man auf frischer Tat ertappt hatte. Er murmelte zwei oder drei Flüche, dann fing er wieder an:
»Wann kümmerst du dich denn darum?«
»Na ja, sobald ich den Fall abgeschlossen habe.«
»Jou! Und was mach ich unterdessen? Ich versuch’s mal mit Eisenkraut, ja?«
»Du beißt die Zähne zusammen wie alle anderen auch.«
Diese Herausforderung würde dem Informatiker ungeheuerlich erscheinen.
François legte eine neue Espressokapsel in die Maschine ein. Er zapfte den Saft und hielt Karim eine Tasse hin.
»Koffeinfrei. Null Stress. Magst du Zucker?«
Hallaoui fand das überhaupt nicht lustig.
»Drei.«
Der Profiler musste grinsen, als er ihm die Zuckerbeutelchen hinhielt.
»Zieh nicht so ein Gesicht. Das Härteste hast du schon hinter dir.«
»Oh Mann … mich arscht das alles so an …«
»Na los, jetzt setz dich mal fünf Minuten hin. Ich hab mit dir zu reden.«
Hallaoui zog sich maulend einen Stuhl heran. Dann sah er die Zeichnung auf dem Schreibtisch liegen.
»Nicht gerade gelungen … Wer ist denn der Künstler? Deine Tochter?«
»Nein. Das hat mit meinem Fall zu tun.«
»Bist du auf der Jagd nach Michael Myers?«
»Nach wem?«
»Ich fass es nicht. Sag bloß, du hast Halloween nicht
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