Wer Boeses saet
Obwohl die Auflösung erbärmlich grobkörnig war, konnte Julia problemlos das zweite Opfer erkennen. Pierre Jacquet bewegte die Lippen, als würde er beten.
Dann war wieder der ganze Körper zu sehen. Ein paar Sekunden passierte nichts, etwa einen Atemzug lang. Die drei Ermittlungsbeamten hielten die Luft an.
Dann schoben sich zwei behandschuhte Hände ins Bild. Sie hielten einen Benzinkanister. Langsam gossen sie den Inhalt über dem Jugendlichen aus. Dieser begann sofort zu strampeln, unkoordinierte, vergebliche Bewegungen.
Wieder eine Pause. Dann flammte direkt vor dem Objektiv ein Feuerzeug auf.
Das Feuerzeug flog durch die Luft. Fast im selben Augenblick fing der Körper Feuer, ein heftiges Feuer. Das Opfer krümmte sich etwa eine Minute, bevor es reglos liegen blieb. Das Feuer brannte weiter.
Julia zwang sich, nicht wegzusehen. Eine Wolldecke tauchte auf, die von denselben behandschuhten Händen gehalten wurde. Sie breiteten die Decke aus über dem, was von dem Körper noch übrig geblieben war, als wollten sie die Glut ersticken. Als sie die Decke wieder wegnahmen, wurde der ganze Bildschirm von einer verkohlten Leiche eingenommen.
Die Ermittlungsbeamtin musste schlucken. Sie wusste, dass es noch nicht vorbei war, und das Schweigen der Polizisten bestätigte das.
Wieder ein Horrorbild, in Großaufnahme, frontal. Vier dünne, leicht gebogene Metallklingen wie Klauen. Sie waren mit Klebeband an einer Handprothese befestigt. Unter dem Handschuh, der das Handgelenk gepackt hielt.
Die Plastikhand bewegte sich, als winke sie dem Kameramann freundschaftlich zu. Dann näherte sie sich dem Opfer, ohne dass auch nur einen Augenblick lang die Person zu sehen war, die sie hielt. Wie ein künstlicher Dolch stach die Waffe auf den verkohlten Torso ein.
Julia, der übel war, zählte neun Hiebe, die jedes Mal vier Schnitte hinterließen. Das machte zusammen sechsunddreißig Schnitte. Genau die Zahl, die der Rechtsmediziner aufgelistet hatte.
Dann war der Film zu Ende. Im Raum herrschte lastendes Schweigen, das Fayol schließlich mit den Worten brach:
»Wir haben im Internet recherchiert. Dieses Video wurde am dreizehnten Januar um drei Uhr acht auf YouTube eingestellt.«
Eine Stunde nach dem Mord. Alles passte zusammen.
»Hat Cazenove es losgeschickt?«
»Nein. Es wurde von einer Diskothek aus abgeschickt. Dem Barbelé. Das ist am Seine-Ufer, neben …«
»Kenn ich.«
Die Teile fanden ihren Platz. Nachdem er Pierre zur Hinrichtungsstätte gefahren hatte, hatte Rémi die Szene gefilmt. Dann hatte er, wahrscheinlich auf Anweisung von Natascha, sein Werk auf die größte Website für Amateurvideofilmer gestellt. Und dabei darauf geachtet, nicht seinen eigenen Computer zu benutzen. Der Sendeort war kein Problem gewesen. Der junge Mann verkehrte wahrscheinlich im Barbelé wie die anderen Satanisten auch. Und das Etablissement stellte seinen Kunden ein paar Computer zur Verfügung.
Für diese Tat gab es nur eine Erklärung: Die Mörderin wollte, dass ihr Verbrechen von allen gesehen wurde.
Aber eines erstaunte Julia.
»Wie kommt es, dass Ihnen das entgangen ist? Gibt es dort keine polizeiliche Internetüberwachung?
»Doch. In Rosny-sous-Bois. Die Kollegen haben das Video wahrscheinlich abgefangen, aber keine Verbindung zu diesem Fall hergestellt.«
»Und geht man dem nicht weiter nach, wenn man auf solche Horrorfilme stößt?«
»Nicht unbedingt. Es kann sich um eine Montage handeln, um Spezialeffekte. Das Video verweist auf einen Film, das sah alles danach aus. Übrigens, ich werde Ihnen das mal zeigen.«
Wieder nickte Fayol seinem Alter Ego zu. Auf dem zentralen Bildschirm wurde eine Website geöffnet. Die Kategorie lautete: Gewaltvideos. Der Titel des vorgeschlagenen Videos: Nightmare. Hochgeladen von: Krueger, wie die Figur aus der Serie. Darunter die Icons: Bewertung; Kommentare; Links … Und eine beeindruckende Zahl von Aufrufen: 5437.
»Was habe ich Ihnen gesagt? Es lässt sich nicht ganz eindeutig sagen, wie die Sache einzuschätzen ist.«
Julia war nicht seiner Meinung. Fayol, den das Schweigen der Polizeibeamtin peinlich berührte, redete gleich weiter.
»Wir haben die Analyse der Verbindungen noch weiter vertieft. Cazenove hat sich mehrmals bei YouTube eingeklinkt, am Tag vor und an den Tagen nach dem Mord.«
»Was wollte er dort?«
»Es hat sich ähnliche Videos angeschaut. Wir haben drei gefunden, bei denen es sich um Nachahmungen von Trash-Filmen handelte.«
»Von denen, die uns
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