Wer Boeses saet
versuchte ein Motorrad vorbeizukommen. Er fuhr ein wenig zur Seite, um ihn passieren zu lassen.
Der Zwischenfall hatte ihn munter gemacht, er schaltete den Lautsprecher ein und stellte die Verbindung her. Vor drei Stunden hatte er die Polizeizentrale verlassen. Élodie dürfte mittlerweile etwas über Cazenoves Anschluss herausgefunden haben.
»Marchand. Hast du was Neues?«
»Große Geister haben dieselben Gedanken. Ich wollte dich gerade anrufen.«
Die Stimme der Spezialistin für Telefonüberwachung klang ziemlich schrill.
»Wir haben immer noch nichts über die Privatnummer von Maxime Galthier herausgefunden. Dagegen habe ich gerade die Liste der abgehörten Anrufe von gestern bekommen. Die Kreditkarte, die in Avignon gekauft wurde, ist reaktiviert worden. Und jetzt rate mal, wer kontaktiert wurde?«
»Rémi Cazenove?«
»Ganz falsch. Sein Anschluss ist stumm. Der Anruf galt der Karte von Châtillon.«
Das war die Karte, die Natascha gekauft hatte. Es gab nur eine Erklärung: Maxime kam aus der Deckung.
»Hast du die Abschrift?«
»Die wird dir nicht viel nützen.«
»Warum?«
»Sie haben einen Stimmenverzerrer benutzt.«
François biss die Zähne zusammen.
»Kann man das nicht filtern?«
»Ich habe schon jemanden darauf angesetzt.«
»Du bist perfekt.«
»Wart’s ab. Noch haben wir das Spiel nicht gewonnen.«
»Wir werden sehen. Hast du noch etwas gefunden?«
»Die Gesprächszeit achtzehn Uhr sieben. Zehn Minuten später wurde über die Nummer aus Châtillon die aus Grenoble und Limoges angerufen. Es wurde dieselbe Art von Stimmenverzerrer benutzt. Daran arbeiten wir auch.«
Maxime war gegen siebzehn Uhr dreißig abgehauen. Nach ihrem Alarmschrei hatte Natascha wahrscheinlich zum Sammeln getrommelt. Die einzig mögliche Anweisung lautete: Verschwinden. Daher Cazenoves Flucht.
»Halt mir das alles schön warm«, sagte François. »Ich esse schnell noch was, und dann komme ich.«
Er legte auf. Der Stau war noch dichter geworden. Der Kommissar war nicht mehr in der Stimmung zu warten. Er öffnete das Handschuhfach und holte das Blaulicht heraus.
60
Seit drei Stunden saß Julia vor ihrem Laptop.
Sie mühte sich ab, ein völlig schräges Auto in einem noch schrägeren Videospiel zu steuern, das sie sich aus dem Internet heruntergeladen hatte. Sie saß in Kellermanns Sessel und wartete darauf, dass die Polizisten von Grenoble weiterkommen würden. Zwei Computerspezialisten waren mit der Untersuchung der bei Maxime und Rémi beschlagnahmten Festplatten beschäftigt.
Sie fluchte. Ihr Fahrzeug war bei über zweihundertdreißig Stundenkilometern gegen eine Mauer gerauscht. Sie klappte die Kiste wieder zu. Dreizehn Uhr zehn. Wenn das so weiterging, würde sie nächstes Jahr noch hier sitzen.
Sie griff nach dem Sandwich, das neben einer Dose Coca Cola und einem in Cellophanpapier eingeschweißten Brownie auf dem Schreibtisch lag. Nicht sehr aufregend, aber sie hatte fürchterlichen Hunger. Das Sandwich fühlte sich an wie Gummi und schmeckte nach Plastik. Julia verzog das Gesicht. Um nicht mehr daran denken zu müssen, was sie da hinunterschlang, verschickte sie eine Salve von SMS . Seit sie nach Avignon gezogen war, machten ihre Freunde sich rar. Sie wurden immer mehr zu Schatten, Rauchsäulen, die sich allmählich verflüchtigten.
Nachdem sie das Sandwich schließlich hinuntergewürgt hatte, sah sie noch einmal auf die Uhr – dreizehn Uhr fünfundzwanzig. Und immer noch nichts. Sie verging fast vor Verlangen, François anzurufen. Aber sie wollte durchhalten. Ihn spüren lassen, dass er Mist gebaut hatte.
Das Handy vibrierte und machte ihrem Zögern ein Ende.
»Ich habe Neuigkeiten, meine Schöne.«
François klang ruhiger. Er hatte das Gespräch herzlich begonnen. Aber Julia blieb distanziert.
»Erzähl.«
»Sitzt du auch gut?«
»Total abgeschlafft wie ein Couchpotatoe.«
»Natascha ist kein Treiber. Sie ist die Mörderin.«
»Eine Frau? Aber das ergibt doch keinen Sinn.«
»Doch, leider schon.«
Er erzählte ihr von der Vernehmung des Obdachlosen. Der sei zwar ein Psychotiker, seine Zeugenaussage bringe aber so viele Beweispunkte, dass man ihn unmöglich nicht ernst nehmen durfte. Jetzt stünde Natascha an vorderster Front. Sie wisse nichts davon. Diesen Umstand gelte es zu nutzen.
»Wie denn?«, fragte Julia.
»Maxime hat sie kontaktiert. Und gleich darauf hat sie die anderen angerufen. Die Gespräche werden gerade analysiert.«
»Sie werden analysiert?«
»Es wurden
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