Wer Boeses saet
interessieren?«
»Zwei zumindest sind darunter. Das Kettensägenmassaker und Halloween. Beim dritten Film scheint es sich um eine Nachahmung der amerikanischen Horrorfilmreihe Freitag, der 13. zu handeln. Jedenfalls ist der Modus Operandi derselbe. Das Opfer ist ein Jugendlicher. Er wurde buchstäblich mit einer Machete geköpft, und das Verbrechen wurde am Ufer eines Sees ausgeführt.«
Jason. Noch ein Psychopath. Genauso legendär wie Freddy, Michael Myers oder Leatherface. Er schlachtete Jugendliche ab, um sich an den unaufmerksamen Aufsehern des Feriencamps zu rächen, die damals nicht auf ihn aufgepasst hatten, und ertrank dann im See. Es hatte also einen vierten Mord gegeben. Und Julia wusste jetzt, warum keiner ihn bemerkt hatte. Natascha hatte die Leiche wahrscheinlich im Wasser versenkt.
»Möchten Sie mal einen Blick reinwerfen?«, fragte Fayol beschwingt.
»Wozu? Ist da der Mörder drauf zu sehen?«
Ein etwas gequältes Lächeln.
»Nein, aber die Opfer …«
»Dann nicht, danke. Haben Sie die IP -Adressen der Computer, von denen die Filme verschickt wurden?«
»Ein Fastfood in Avignon, ein Apple-Reseller in Limoges und ein Internetcafé in Paris, im Hallenviertel.«
Das passte wie angegossen. Die Städte stimmten mit den Tatorten überein. Die Filme waren alle auf dieselbe Art und Weise online gestellt worden, und das Internetcafé war wahrscheinlich das, in dem François versucht hatte herauszufinden, wer Natascha war.
Sie waren in ihrer Ermittlungsarbeit einen Riesenschritt weitergekommen. Jetzt musste noch das letzte Opfer identifiziert und der Ort gefunden werden, an dem sein Martyrium stattgefunden hatte. Wie bei Maxime und Rémi würde man so vielleicht auf den dritten Treiber kommen.
Julia klappte ihr Handy auf. Jetzt musste François unverzüglich informiert werden. Bevor sie eine Verbindung hergestellt hatte, hüstelte Fayol.
»Noch etwas?«, fragte die junge Frau.
»Ja, vielleicht. Wir sind auf eine Reihe recht alter Verbindungen gestoßen. Mehr als eine. Aber die Adresse hat uns hellhörig gemacht.«
»Und die lautete?«
»›clockworkorange.com‹. Das ist kein Zufall.«
Sie erschauderte. Da hatten sie mitten ins Schwarze getroffen. In den Siebzigerjahren hatte Regisseur Stanley Kubrick eine Ode auf die Gewalt ersonnen. Schockierende Szenen, wahlloses Morden. Ein wahrer Segen …
»Könnte ich mir das bitte mal anschauen?«, fragte die junge Frau und reckte sich.
»Unmöglich. Die Website ist gesperrt worden.«
»Zu hart?«
»Wir haben schon Schlimmeres gesehen.«
»Wo lag das Problem?«
»Der Meister hat ausdrücklich zur Gewalt aufgerufen.«
»Wie habe ich mir das vorzustellen?«
»In einem Chat . Er hat sogar so etwas wie Begegnungen organisiert, bei denen er die Internetuser zusammenkommen ließ. Cazenove hat sich die Programme heruntergeladen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er daran teilgenommen hat.«
Sie war begeistert. Die Verbindung, die sie seit Tagen suchten, nahm endlich Gestalt an. Natascha war weder Hellseherin noch Psychologin noch sonst etwas in der Art. Sie hatte lediglich bei diesen Versammlungen von Verrückten den Weg der Treiber gekreuzt. Da sie die Ältere war, war es ihr gelungen, sie zu manipulieren. Sie hatte ihnen ein völlig aberwitziges Projekt schmackhaft gemacht, das genau ihren Erwartungen entsprach: Sie sollten unmittelbar an Exekutionen teilnehmen.
Erwartungsvoll stellte Julia ihre letzte Frage.
»Weiß man, wer dieser Meister ist?«
»Geben Sie mir eine Sekunde Zeit. Rosny-sous-Bois hat uns seine Akte zugeschickt.«
Er ließ die Maus übers Mousepad gleiten. Ein Klick. Anstelle der YouTube-Seite öffnete sich ein Bildschirm voller Icons. Zwei weitere Klicks. Eine Datei tauchte auf, gekrönt von einem Foto.
»Laurent Théron. Ein Büroangestellter. Er wohnt am Boulevard de l’Europe Nummer siebenundzwanzig in Évry. Im einundneunzigsten Département.«
Julia kam näher und sah sich das Gesicht genau an. Es wirkte energielos, banal, ein paar spärliche Haare sprossen ihm auf dem Schädel. Ein Allerweltsgesicht. Aber was er in sich trug, war einzigartig.
Einen tiefen, absoluten Hass.
Er tropfte ihm aus den Augen wie Eiter.
61
»Wart mal eine Sekunde. Ich verstehe gar nichts.«
François ließ einen Zwanzigeuroschein auf dem Tresen liegen. Er grüßte den Inhaber und verließ die Brasserie. Nach dem Geschirrgeklapper, dem Stimmengewirr der Gäste und dem Gebrüll der Kellner kam ihm das Brummen des Verkehrs geradezu leise
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