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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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Leere herstellen.
    Langsam stand er auf.
    »Wusstest du die ganze Zeit Bescheid?«
    Lächeln. Eine winzige Sekunde lang tauchte wieder das kleine Mädchen auf, mit seinen leicht auseinanderstehenden Zähnen, seiner Treuherzigkeit, seiner Unschuld. Dann verschloss sie sich wieder.
    »Sicher wusste ich davon. Genau wie ich auch weiß, dass du daran schuld bist.«
    François hörte sich antworten:
    »Wer … Wer hat dir das erzählt?
    »Als Mamas Mörder dich gewarnt hat, da hast du ihm nicht geglaubt. Warst ein Herr ›Ich kann alles‹. Siehst du, wohin uns das gebracht hat?«
    Sie starrte ihn mit erloschenem Blick an. Er versuchte ungeschickt, sich zu rechtfertigen.
    »Er war ein Provokateur. Ich konnte doch nicht …«
    »Hör auf! Ich bitte dich.«
    François spürte, dass er gleich in Tränen ausbrechen würde. Er versuchte, auf sie zuzugehen.
    »Wir sind beide noch da. Und wir werden da wieder herauskommen, das verspreche ich dir.«
    Schreiend wich sie zurück: »Gar nichts versprichst du mir! Du hast deine Versprechen noch nie gehalten!«
    Eine plötzliche Wut war aus ihr herausgebrochen wie ein Vulkan. Dann fragte sie wie ein Schauspieler, der schnell ein anderes Register zieht, mit zuckersüßer Stimme: »Du wolltest doch verstehen, oder?«
    François nickte wortlos. Seine Tochter streckte sich auf einem roten Sofa aus. Am Kopfende stand ein Sessel, aus demselben kostbaren Holz geschnitzt.
    Dem Profiler wurde übel. Er hatte diese Reliquien nach dem Auszug aus seiner Psychoanalytikerpraxis auf dem Speicher ausgelagert. In diesen Lederkokons hatte er seinen Patienten gelauscht, sie getröstet, den Balsam seiner Worte auf ihre Wunden gestrichen.
    Sie winkte ihn zu sich.
    »Du kennst deinen Platz.«
    »Was für ein Spiel spielst du da?«
    In ihren blassen Augen loderte die Flamme des Wahnsinns.
    »Setz dich!«
    Dann fügte sie mit honigsüßer Stimme hinzu:
    »Bitte.«
    François gehorchte. Er musste Zeit gewinnen. Ihr zuhören. Dann würde er sich etwas einfallen lassen.
    Charlotte verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Sie tat so, als sei sie ganz entspannt, aber ihr Körper strafte sie Lügen. Angespannt, nervös. Eine instabile Mischung, flüchtiger als eine Nitroglyzerinlösung.
    »Bist du bereit, die Wahrheit zu hören?«, herrschte Charlotte ihn an.
    Marchand antwortete nicht. Seine Augen hingen an Diane, an ihrem Gesicht, das über die Wand wogte.
    Das junge Mädchen seufzte.
    »Wie du willst. Ich werde jetzt jedenfalls reden.«
    Mit einer fernen, geradezu körperlosen Stimme begann sie ihre Geschichte zu erzählen.
    »Als Mama starb, hast du mir erzählt, sie habe einen Unfall gehabt. Ich war noch klein. Ich wollte dir glauben. Aber in meinem tiefsten Inneren wusste ich, dass du gelogen hast. Ich ahnte, dass etwas Schreckliches passiert sein musste, etwas, das auch dich anging und das dazu führen würde, dass ich noch mehr leiden musste. Und da hab ich plötzlich angefangen zu spinnen.«
    Ein ziemlich surreales Bild: François, wie er zusammengekauert in seinem Sessel saß, Charlotte, wie sie mit reifer, gesetzter Stimme sprach. Die drei Leichen, stumme Zeugen dieser wilden psychoanalytischen Sitzung.
    »Ganz allmählich habe ich mich wieder gefangen. Ich war in einer neuen Wohnung, hatte ein neues Zimmer, und nichts war mehr wie vorher. Mama war nicht mehr da. Und dir ging es schlecht. Also wollte ich dir helfen. Ich habe gelernt zu kochen, Hausaufgaben zu machen, autonom zu werden. Und wenn es mir so richtig schlechtging, bin ich zu Oma gegangen, damit du es nicht merkst. Die Vorstellung, du könntest mich auch fallenlassen, hat mir fürchterlich Angst gemacht.«
    François brach zusammen. Er hatte geglaubt, er hätte sie getäuscht. Sie hatte alles verstanden und still gelitten.
    »Ich habe die Wahrheit in der Schule erfahren.«
    Ihr blieben die Worte im Hals stecken. Ein gnadenloses Urteil, gefällt vom Tribunal des Unglücks. François fragte wütend:
    »Wer hat es dir erzählt?«
    »Ein Mädchen aus meiner Klasse. Ihre Mutter ging mit meiner Mama zur Gymnastik.«
    Eine Unbekannte. Ein Elektron, das Dianes Leben umkreist hatte, ohne dass er von dessen Existenz auch nur eine Ahnung gehabt hätte. Früher oder später fand die Wahrheit immer ihren Weg. Das war eine Frage der Zeit.
    »Alles kam wieder hoch«, fuhr Charlotte fort. »Meine Zweifel, meine Ängste, dieses Unwohlsein, das mich immer überkam, wenn du von ihr sprachst. Trotzdem wollte ich es nicht glauben. Ich hab sofort Oma angerufen. Sie

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