Wer Boeses saet
zusammengetragen, um seine Sammlung zu vervollständigen. Niemand hatte sie angerührt …
Er ging durch den Raum. Es gab eine zweite Treppe, ein Spiegelbild der ersten. Diesmal eine Betontreppe, die François eigenhändig mit grauer Farbe gestrichen hatte. Sie führte hinauf zu der Tür in die Küche.
Eine Handvoll Stufen. Der Profiler hörte oben etwas hin und her huschen und knipste das Licht aus. In Fußhöhe blieb ein feiner Lichtstrahl. Er kam von der anderen Seite.
Drei, vier Sekunden lang stand er reglos im Dunkeln und versuchte herauszufinden, ob da jemand war. Unmöglich, denn ein dumpfes, rhythmisches, schnelles Klopfen hinderte ihn daran: sein Herzschlag.
Er drückte die Klinke nach unten, öffnete die Tür einen winzigen Spalt breit und riskierte einen Blick. Der Winkel war nicht groß genug, um sich einen Überblick verschaffen zu können. Trotzdem wusste er, dass der Raum leer war. Es lag nicht jene besondere Spannung in der Luft, welche die Gegenwart eines Menschen bewirkt.
François schlüpfte durch die Tür. Sofort fielen ihm die Fastfoodpackungen ins Auge und die Sodabüchsen, die auf dem großen Eichentisch lagen. Neben diesem Müll gab es noch aufgerissene Chipstüten und leere Bonbonpapierchen.
Kids, dachte der Profiler. Verantwortungslos, unordentlich, sich der Konsequenzen ihrer Handlungen nicht bewusst.
Er ging in den Salon. Auch leer. Es stank nach kaltem Rauch, dass einem schlecht werden konnte. Es war nur eine Lampe eingeschaltet, eine weiße Scheibe, die an einem Faden von der Decke über dem Billardtisch hing. Die Kugeln waren über den grünen Filz verteilt. Die Queues lagen auf dem Boden. Aschenbecher voller Kippen spuckten einen schwarzen Saft auf die Bande aus lackiertem Mahagoni.
François fragte sich, wie die Jugendlichen sich auf das Spiel hatten konzentrieren können. Nach alldem, was geschehen war, und der Anspannung, unter der sie litten.
Er ging um das Schlachtfeld herum und dachte an seine Mutter. Sie hätte die Gelbsucht davon bekommen. Dann bemerkte er die Veränderungen. Ein neues Sofa war dazugekommen, ein Flachbildschirm, und hinten eine Öffnung, die in eine Art Boudoir führte. Es sah aus, als wären die Wände zurückgewichen. Das Zimmer wirkte größer. Ein schöner Raum, der ihm fremd vorkam. Diane war tot, Charlotte hatte die Kindheit hinter sich gelassen, und er war geflohen. Selbst äußerlich war von seiner Vergangenheit nichts mehr da.
Er stieß mit dem Fuß an einen Gegenstand. Eine Whiskeyflasche. Geleert bis auf den letzten Tropfen. Eine weitere stand auf dem niedrigen Tisch, ebenfalls leer.
Er zählte vier Gläser.
François schloss die Finger fest um seine Waffe. Er hatte ein seltsames Gefühl. Diese Stille, dieser Frieden. Das passte nicht. Vielleicht hatte die Bande ihren Plan geändert und es vorgezogen, sich vor seiner Ankunft aus dem Staub zu machen.
Stimmen. Er lauschte. Sie kamen aus dem ersten Stock. Er ging zur Treppe. Jagdszenen, Gewehre, Trophäen. Ausgestopfte Souvenirs, lebendiger als in Natur. François stieg die Stufen hinauf und wurde in eine andere Zeit zurückversetzt.
Die Stimmen klangen jetzt ferner.
Eine Frau, ein Mann.
Charlotte? Im Gespräch mit einem ihrer Helfershelfer?
Er erreichte den Flur. Halbdunkel. Durch eine angelehnte Tür am anderen Ende des Ganges drang ein wenig Licht. Von dort kamen auch die Töne. Drei aufeinanderfolgende Zimmer, eine Art Suite, die Zimmer, die er mit Diane bewohnt hatte, wenn sie in die schwarzen Sümpfe gefahren waren.
Leise ging er weiter. Rechts und links Zimmer. Er kontrollierte sie im Vorbeigehen. Leer. Nur noch zwei oder drei Schritte. Er hatte das Gefühl, sich vor einem Abgrund zu befinden.
Auf der Türschwelle blieb er stehen und lauschte. Ein Lachen. Rufe. Dann eine vertraute, zugleich sanfte und ruhige Stimme.
Der Schock war gewaltig. Der Polizist wankte und hielt sich an der Wand fest.
Das konnte sie nicht sein.
Er hatte sie beerdigt.
Aber François träumte nicht.
Da, ganz nah, war Diane und sprach mit jemandem.
Er trat ins Zimmer. Dämmerlicht. Überraschung. Die Wände waren verschwunden, es gab nur noch einen einzigen großen Raum. Ein riesiges Sofa nahm die ganze hintere Wand ein, drei Gestalten hatten sich darauf niedergelassen. Maxime Galthier, Rémi Cazenove und noch ein dritter Bursche, ein Blondschopf mit Püppchengesicht, den er noch nie gesehen hatte. Er wettete zehn zu eins darauf, dass das der dritte Treiber war.
Von Charlotte keine Spur.
Die
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