Wer Boeses saet
schriftlich festhalten. Falls alles stimmt, sind Sie schon bald wieder auf freiem Fuß.«
»Und … Maxime?«
»Machen Sie sich mal keine Sorgen. Ich werde ihm Bescheid sagen.«
»Werden Sie ihm alles erzählen?«
»Nur das Nötigste.«
Galthier senkte den Kopf. Er sah aus wie ein Verurteilter vor dem Gang zum Schafott. Als Julia ihn mitnahm, schaute der Kommissar die Treppe hinauf.
Maxime.
Eine unerwartete Gelegenheit.
Die letzte Karte, die er heute noch ausspielen würde.
Bei der Befragung konnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Galthiers Alibi überprüfen und zugleich versuchen, etwas mehr über das Opfer herauszufinden.
In Lucies Leben gab es noch viele dunkle Stellen.
François hatte eine erhellt, vielleicht gab es noch andere.
14
»Hallo!«
Trotz des weit geöffneten Fensters hing Tabakgeruch im Zimmer. Maxime lag auf dem Bett und blätterte in einer Zeitung. Bevor er sie zuschlug, konnte der Polizist gerade noch ein braungebranntes Mädchen mit gespreizten Beinen und üppigem Schamhaar erkennen.
»Wer sind Sie?«
»Kommissar François Marchand. Kripo.«
Der junge Mann stand sofort auf. Er war groß, mager und hatte einen Rundrücken wie viele Jugendliche, die zu schnell wachsen. Er hatte ein längliches Wieselgesicht, das noch von den Spuren einer Akne gezeichnet war. Er trug eine zu weite Jeans, neue Sportschuhe und ein rotes, schon völlig fadenscheiniges T-Shirt. Auf den ersten Blick würde man ihm höchstens sechzehn Jahre geben.
»Wo ist mein Vater?«
»Setz dich«, befahl der Polizist.
Maxime gehorchte. François schnappte sich einen Stuhl und setzte sich vor ihn.
»Dein Vater ist auf dem Kommissariat.«
»Was hat er getan?«
»Wir mussten nur zwei oder drei Sachen überprüfen.«
Marchand hatte beschlossen, ihn nicht in die Eskapaden seines Vaters einzuweihen. Zumindest jetzt noch nicht.
»Kanntest du Lucie Barmont?«
Maxime runzelte die Brauen, als versuche er, sich an etwas zu erinnern, dann sagte er:
»Ja … Sie ist Friseuse, nicht wahr?«
»Genau. Du weißt, was mit ihr geschehen ist?«
»Nein …«
Der Kommissar machte eine Pause und sagte dann mit tiefer Stimme:
»Sie wurde ermordet.«
»Ermordet?«
»Ihr Körper wurde zerstückelt. Außerdem hat man ihr das Gesicht abgeschnitten.«
Erst war es ganz still. Die übliche Reaktion auf das Unvorstellbare. Dann wagte der junge Mann die Frage:
»Hat mein Vater etwas damit zu tun?«
»Ich hoffe nicht.«
Wieder Stille. Der Jugendliche war völlig überfordert. Er saß im Schneidersitz auf seinem Bett und nahm sich eine Zigarette. Während er sie anzündete, sah François sich sein Zimmer genauer an. Ein winziges, erdrückendes Kabuff voll mit Modellautos und Autopostern. Dreckbespritzte Karosserien im Moment der Beschleunigung auf holprigen Pisten aufgenommen. Auf dem Tisch stand ein beeindruckender Fotoapparat, daneben ein Computer und ein Teleobjektiv.
»Fotografierst du?«
»So’n bisschen.«
»Hast du die Geländewagen aufgenommen?«
»Ja …«
»Ich habe einen Touareg.«
»Cool.«
Maxime entspannte sich ein wenig. François nutzte das, um Kontakt zu ihm aufzubauen.
»Und was machst du sonst so?«
»Ich gehe aufs Gymnasium.«
»In welche Klasse?«
»In die Abschlussklasse.«
»Läuft’s gut?«
»Nicht übel.«
Der Polizist lächelte zustimmend.
»Und Lucie?«
»Lucie was?«
»Wie hast du sie kennengelernt?«
»Letztes Jahr. Wir sind uns in einem Forum im Internet begegnet.«
»Erzähl.«
Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. In dem noch unfertigen Gesicht wirkte die Zigarette fehl am Platz.
»Sie suchte einen Mitbewohner. Sie hatte sich auf einer Website registrieren lassen, und ich auch. Ich gehe nächstes Jahr an die Uni. Wenn man sich die Mieten ansieht, ist es besser, sich rechtzeitig um so was zu kümmern.«
»Was für eine Website ist das?«
»Ich weiß nicht mehr … Aber wenn Sie wollen, kann ich’s für Sie nachsehen.«
François machte eine verneinende Handbewegung.
»Schon gut. Was ist danach passiert?«
»Wir haben uns getroffen.«
»Und dann?«
»Sie war sympathisch. Wir haben uns gut verstanden.«
»Habt ihr euch hier getroffen?«
»Sie ist einmal hergekommen, ja.«
»Hat dein Vater sie kennengelernt?«
»Ich erinnere mich nicht. Vielleicht …«
Er war misstrauisch. Er wollte nichts sagen, was Galthier in Schwierigkeiten bringen könnte.
»Du hast gesagt, es lief gut zwischen euch. Warum habt ihr euch dann nicht zusammen eine Wohnung
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