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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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schmutzig und hatte nur noch das Bedürfnis, in einem netten kleinen Hotel ein heißes Bad zu nehmen.
    Er griff nach seinem Handy. Er musste Julia wenigstens Bescheid geben. Nach dem, was Maxime so erzählt hatte, war die ganze Aufregung völlig sinnlos. Devaux nahm Galthier wahrscheinlich gerade gehörig in die Mangel. Jedenfalls würde das nirgendwohin führen.
    Bevor er losfuhr, schaltete er sein Nokia wieder ein. Die Signalmelodie erklang, eine Nachricht wartete auf ihn.
    Uhrzeit des Anrufs – neunzehn Uhr siebenunddreißig. Da war er gerade mit der Vernehmung beschäftigt gewesen.
    Es ertönte Hénons ernste Stimme:
    »François, hier ist Roger. Ruf mich schnell zurück. Ich glaube, wir haben noch einen Mord.«
    15
    »Roger?«
    »Ah, François. Wo steckst du gerade?«
    »In Avignon.«
    »Ich habe dich vor mehr als einer Stunde angerufen. Was hast du nur die ganze Zeit gemacht?«
    »Ich hatte eine heiße Spur.«
    Stille.
    »Jetzt schon?«
    »Erklär ich dir später. Und du? Was ist das für eine Geschichte?«
    »Es ist in Grenoble passiert. Die Leiche wurde heute Morgen gefunden, in einer stillgelegten Müllverbrennungsanlage. Die Information kam am späten Nachmittag aus polizeiinterner Quelle.«
    »Besteht da irgendein Zusammenhang mit meinem Fall?«
    »Vielleicht nicht. Aber die Brutalität, mit der hier vorgegangen wurde …«
    »Erzähl mal.«
    François stieß beim Sprechen eine weiße Dampfwolke aus. Er ließ den Motor an und drehte die Heizung bis zum Anschlag auf.
    »Sechsunddreißig Messerstiche«, erläuterte Hénon. »So gut wie überall Schnittwunden. Das Opfer hat keinen einzigen Blutstropfen mehr in den Adern.«
    Ausgeblutet. Wie Lucie.
    »Eine Frau oder ein Mann?«, fragte Marchand sofort.
    »Ein Mann.«
    Das fing ja gut an. Das Geschlecht passte schon mal nicht.
    »Und das Gesicht? Hat er ihm das Gesicht abgenommen?«
    »Nein.«
    »Dann passt das nicht.«
    »Warte! Das ist nicht alles.«
    »Mach schon, Roger. Ich sitz hier auf glühenden Kohlen.«
    »Er hat Feuer gelegt.«
    »Was?«
    »Die Haut weist Verbrennungen vierten Grades auf. Und das auf fünfundneunzig Prozent der Körperoberfläche.«
    François rieb sich die Augen. Noch so eine Schlächterei, diesmal gefolgt von einer Leichenverbrennung. Wo würde das enden?
    »Und wann ist das gewesen?«
    »Das ist noch nicht sicher. Aber wahrscheinlich letzte Nacht.«
    Die beiden Morde lagen also keine vierundzwanzig Stunden auseinander. Auch das sprach dafür, dass sie etwas miteinander zu tun hatten.
    »Willst du, dass ich mir das mal anschaue?«
    »Das wäre nicht schlecht, ja. Und du, wie weit bist du?«
    »Ich hatte eine Spur, aber am Ende stellte sich heraus, dass es nur ein Schlag ins Wasser war.«
    »Und wie läuft’s mit den Einheimischen?«
    »Nicht so toll. Der Pascha hier vor Ort ist nicht sehr kooperativ.«
    »Behindert dich das?«
    »Nein. Ich habe eine Lösung für das Problem gefunden.«
    Bei diesen Worten dachte François natürlich an Julia. Seine neue Kollegin hatte der Himmel geschickt. Er hatte unverhofft eine Verbündete unter diesen ihm feindlich gesinnten Leuten gefunden.
    »Gut«, sagte Hénon. »Wie schnell kannst du dort sein?«
    »Erst muss ich mal schlafen.«
    »Fahr morgen gleich in der Früh los. Ich werde die Behörden von deiner Ankunft unterrichten.«
    »Kannst du vielleicht dafür sorgen, dass ich ein bisschen netter empfangen werde? Ich hab die Nase voll davon, das hässliche Entlein zu sein.«
    Marchand konnte das Lächeln seines Vorgesetzten fast schon hören.
    »Diesmal solltest du keine Probleme bekommen. Der Kripochef war mit mir auf der Uni.«
    »Wie ist sein Name?«
    »Jean Kellermann. Du wirst schon sehen, ein netter Kerl.«
    »Na, das ist mal eine gute Nachricht.«
    »Und noch was, François …«
    »Ja?«
    »Du behältst das für dich. Wenn das derselbe Mörder ist, brauchen wir ihn ja nicht mit der Nase darauf zu stoßen. Er wird früh genug erfahren, dass wir eine Verbindung zwischen beiden Fällen herstellen.«
    Marchand dachte an Julia. Er hatte keine Lust, ihr was vorzulügen, und dass sie wieder auf die Reservebank musste, wollte er schon gar nicht. Und das sagte er auch ganz offen seinem Vorgesetzten.
    »Und die Kripobeamtin, die mich heute den ganzen Tag begleitet hat, die hätte ich auch gern dabei.«
    »Ich bin mir nicht so sicher, dass das eine gute Idee ist.«
    »Sie kann mir helfen. Und sie muss sich nicht mit der Frage abquälen, warum ich mich so schnell wieder aus dem Staub gemacht

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